Unweit der Weinstadt Retz (7 km) liegt die kleine Gemeinde Schrattenthalt mit ihrem ganz besonderen Kleinod – dem Schloss Schrattenthal.
Wobei „klein“ in diesem Zusammenhang ziemlich untertrieben ist: Die Anlage mit Schloss, Vorburg, Schlosspark, Hungerturm, Kirche, verschiedenen Wohn- und Wirtschaftsgebäuden und den ehemaligen Befestungs- und Verteidigungsanlagen ist um die 4,5 Hektar groß und wirklich beeindruckend.
Schloss Schrattenthal ist nicht nur eine wunderbare Location für Hochzeiten und Feste aller Art. Man kann sogar im Schloss wohnen und ein paar Tage Prinz und Prinzessin spielen. Aber auch als Drehort war es schon öfter im Einsatz, unter anderem für die Fernsehserie „Julia – eine ungewöhnliche Frau“ mit Christiane Hörbiger.
Ein kleiner Ausflug in die Geschichte
Bereits 1220 wird die Verteidigungsanlage, deren Reste sich heute noch auf dem Areal befinden, erstmals urkundlich erwähnt. Damals baute man an der Grenze zu Böhmen mehrere Befestigung zur Sicherung des Terrains.
Als erster Lehensnehmer der Herrschaft wurde 1245 der Tuchsess (oberster Aufseher über die fürstliche Tafel) des Herzogs Friedrich III. bekannt: Drusigerus de Schretentale. 1382 erwarben die Grafen von Maydburg-Hardegg die Herrschaft, gaben sie aber auch als Lehen weiter.
In der ersten Hälfte des 15. Jahrhunderts kamen die Hussiten auch nach Schrattenthalt, 1425 war das Gebiet stark umkämpft, das Schloss wird Teil der mittelalterlichen Befestigungsanlage des Ortes. 1434 folgte Ulrich von Eyczing auf Tobias von Rohr, dem auch Burg Ottenstein gehörte, zuerst als Lehensnehmer von Schloss Schrattenthal und machte es zu seinem Hauptsitz.
Da er einen neuerlichen Vorstoß der Hussiten befürchtete, errichtete er eine neue Wasserburg, die in die Ortsbefestigung einbezogen wurde und die Südseite der Ortschaft abdeckte. Als er vom Kaiser in den Freiherrnstand erhoben und Hubmeister von König Albrecht II. konnte er bald über ein großes Vermögen verfügen und so die Herrschaft 1448 erwerben.
Politisch wurde es im Schloss von 1451 bis 1458 als das Schloss wiederholt Treffpunkt der Aufrührer der Niederösterreichischen Stände gegen Kaiser Friedrich III. war. 1457 waren sogar der spätere König Georg von Böhmen und der Bischof von Passau auf Schloss Schrattenthal zu Gast.
Ulrich von Eyczing stirbt 1460 an der Pest und wird in der Pfarrkirche von Schrattenthal bestattet. Sein Bruder Stephan übernimmt den Besitz und da der Kaiser hohe Schulden bei der Familie hat, erhält Schrattenthal zahlreiche Privilegien, unter anderem wird es auch 1472 zur Stadt erhoben. In den folgenden Jahren wechselt die Herrschaft häufig, bleibt aber immer noch in der Familie Eyczing. Michael Freiherr von Eyczing wird allerdings 1522 wegen Rebellion und Hochverrat angeklagt, hingerichtet und alles seine Güter werden eingezogen. Seinen Söhnen gelingt es aber schließlich den Familienbesitz wieder zu erlangen.
1567 bis 1620 wird Schloss Schrattenthal ein Hauptstützpunkt der Reformation und Tagungsort der evangelischen Stände. Man nimmt an, dass die heutige Scheune als evangelische Kirche diente. Im Zuge der Gegenreformation werden die Eyczinger allerdings geächtet, Schrattenthal wird konfisziert und der Besitz geht an Eleonora Gonzaga, der Gemahlin von Kaiser Ferdinand II.
1620 bis 1660 sind die Grafen von Strozzi Herren der Burg, 1645 wird Schrattenthal von den Schweden erobert, die mit ihrem General Lennart Graf Torstensson im Schloss ihr Hauptquartier aufschlagen. 1660 geht die teilweise zerstörte Wasserburg in den Besitz von Markus Putz Freiherr von Adlersthurm über, der die das nun militärisch bedeutungslose Gebäude ab 1670 in das heutige barocke Wasserschloss umbauen lässt. Seine Tochter vollendet schließlich den Umbau und legt im Norden des Schlosses einen Park mit Fasangarten, Jägerhaus und Sommerpavillon an.
Weitere Besitzer und Umbauten der Gebäude folgen. 1848 wählen die Bürger von Schrattenthal den Schlossherrn Hermann Graf Attems zum Bürgermeister. Auf Prinz Friedrich von Schönburg-Waldenburg folgt die Familie Schumpeter, die den Besitz 1924 an den Urgroßvater der heutigen Schlossbesitzerin Andrea Schubert verkauft.
Eigentlich war ihr Großvater mehr am Grundbesitz und der dazugehörenden Landwirtschaft interessiert, für das Schloss allerdings sind diese Besitzer ein Glücksfall. Ihre Mutter, Mag. Brigitte Schubert ist Architektin, die mit viel Einsatz, Geld, aber auch dem dazugehörigen Wissen das Schloss, das unter Denkmalschutz steht, Stück für Stück seit 1986 renoviert hat. Tochter Andrea ist Landschaftsarchitektin und der kreative Geist des Schlosses.
Das Schloss ist in Privatbesitz, kann aber entweder allein oder im Rahmen einer Führung besichtigt werden.
Ein Rundgang
Vom Parkplatz kommt man über eine Steinbrücke, die die frühere Zugbrücke ersetzt, durch einen halbrunden Torturm aus der Mitte des 15. Jahrhundert in den Innenhof, der von den zwei Seitenflügels des Schlosses und der Wehrkirche begrenzt wird. Der Heilige Nepomuk und Antonius von Padua heißen uns willkommen.
Am Weg dorthin fällt mir noch eine kleine Box mit der Beschriftung „ 4 Euro“ auf. Wer alleine das Schloss und die Kirche besichtigen will, wird gebeten einen Obulus von 4 Euro zu leisten, wobei die Schlossherren und -damen auf die Ehrlichkeit der Besucher vertrauen.
Im Hof erwartet uns schon die junge Schlossherrin, Andrea Schubert, die uns nicht nur das Schloss, sondern auch die Kirche, den Schüttkasten, den Hungerturm und einiges mehr zeigen wird.
Der Rundgang dauert ungefähr 1 ½ Stunden, kostet 13 Euro (Stand 2022) und ich empfehle euch wirklich die Führung zu buchen. So wird nicht nur die Geschichte des Schlosses lebendig, sondern man erfährt auch ein wenig von Freud und Leid bei der Renovierung und beim Besitz eines solchen Schlosses.
Die Wehrkirche
Die Kirche gilt als kunsthistorisches Juwel, das es in dieser Form in Österreich nur zweimal gibt: hier in Schrattenthal und in St. Peter in der Au in Wiener Neustadt.
Die spätgotische Kirche ist ein dreijochiger Saalbau, der im westlichen Joch durch eine kreuzrippenunterwölbte Orgelempore zum Kirchenraum geschlossen wird. Unterhalb des ehemaligen Wehrganges sind profilierte Spitzbogenarkaden zu Nischen eingefügt, in denen sich die Fenster befinden.
Dazwischen stehen Strebepfeiler, von denen einer eine Sonnenuhr trägt. Wir steigen zur Orgel hoch, die zuerst in der Pfarrkirche St. Leopold in Klosterneuburg ertönte und dann im Wiener Servitenkloster als Zweitorgel im Einsatz war, aber zum Verkauf inseriert wurde. Dieses Inserat wiederum sah Brigitte Schubert, die schon lange auf der Suche nach der passenden (und leistbaren) Orgel für ihre Kirche war. Man wurde sich handelseinig und so gibt es jetzt nicht nur bei Hochzeiten eine wunderschöne Musikbegleitung.
Am Weg zum Schüttkasten und zum Hungerturm werfen wir noch einen Blick in den Park und auf die sogenannte Ritterstiege und die Freitreppe mit den vasenbekrönten Torpfeilern aus der zweiten Hälfte des 18. Jahrhunderts.
Auf der Terrasse machen wir kurz Halt und werden lautschnatternd von zwei Gänsen im Burggraben besucht. Andrea Schubert weiß genau wieso: „Die beiden glauben jetzt, dass sie Futter bekommen.“
Hungerturm
Weiter geht’s zum Hungerturm, der mit einem Durchmesser von 18 Meter und einer Mauerstärke von fünf Metern trotzig in der Landschaft steht.
An einer Seite führt eine eiserne Treppe sechs Meter hoch zum Einstieg ins Innere. Hier kann man tief hinunter ins Verlies blicken. Wahrscheinlich wurde der Turm einst zur Verteidigung gegen die Hussiten errichtet und nachdem 1492 die Schlossherren auch die Gerichtsbarkeit erhielten, wurde er wahrscheinlich auch als Gefängnis genutzt.
Wir steigen noch etwas höher auf seine Plattform und haben einen wunderschönen Ausblick auf die Umgebung. Andrea Schubert zeigt uns noch ihren Kirschgarten in der Ferne, auf dem ihre alten Kirschbäume stehen. Wer möchte, kann bei ihr auch einen Kirschbaum mieten.
Die Pflege des Baums liegt dann in ihren bewährten Händen, die Mieter kommen jeweils zur Ernte des Baumes zu einem Fest zusammen und kehren mit reicher (meistens) Ernte an Kirschen wieder nach Hause zurück. Ich bin schon die ganze Zeit am Überlegen, was ich aus den Kirschen alles machen könnte: Marmelade, Rumkirschen, Kirschlikör, Kirschkuchen …. Vielleicht sollte ich doch einen Baum mieten?
Im Gedanken an einen Kirschbaum und die Köstlichkeiten daraus steigen wir wieder vom Hungerturm hinunter und gehen durch das kleinere Tor und über die neue Holzbrücke ins Freiland, um aber gleich wieder in die Vorburg zurückzukehren.
Ein kurzer Blick noch auf die Stadtmauer, die mit einer Länge von einem Kilometer auch zum Schloss gehört und daher auch von den Schlossbesitzern instandgesetzt werden muss.
Dann führt uns Andrea in den langgestreckten Schüttkasten, der 1713 gebaut wurde und noch das Wappen des Freiherrn Putz von Adlersthum zeigt. In diesem barocken Gebäude wurde noch vor nicht allzu langer Zeit das Getreide aus der schlosseigenen Landwirtschaft getrocknet und gelagert.
Es ist ein wunderschönes Gebäude, das förmlich nach einer Nutzung als Galerie, Ausstellungslocation oder als Veranstaltungsraum schreit. Was aber mit den diversen Auflagen von Denkmalamt, Feuerwehr und Sicherheitsvorschriften nicht ganz einfach zu bewerkstelligen sein dürfte.
Schade. Interessant ist auch der Schwingboden im 2.Stock. Irgendwie auch ein bisschen unheimlich.
Wir machen noch einen kleinen Abstecher in den Presskeller, über dessen Eingang sich das Wappen der Eyczinger befinden, die lange Zeit die Burg bewohnten.
Dann lädt uns Schlossherrin Andrea noch zu einem Rundgang durch einige Zimmer des wunderschönen Schlosses ein. Wer sich einmal so richtig wie ein Adeliger fühlen möchte – ohne die Verantwortung und die Arbeit, die die Erhaltung des Juwels in Anspruch nimmt, übernehmen zu müssen – kann sich hier eine Ferienwohnung mieten.
Die Räume sind wunderbar renoviert und ausgestattet – ich kann mir gar nicht vorstellen, wie viel Arbeit in all den Renovierungen dieser Anlage steckt. Das Engagement der Schlossherren ist gar nicht hoch genug zu schätzen und zu würdigen, die es sich zur Aufgabe gemacht haben, die Anlage nicht nur zu erhalten, sondern ihr Stück für Stück ihren alten Glanz wieder zurückzugeben und auch wieder Leben ins Schloss zu bringen. Toll und sehenswert.
Ziemlich beeindruckt verlassen wir Schloss Schrattenthal und unsere liebenswerte Führerin – und ich werde mir einen Kirschbaum mieten … 😊
Mehr über Schloss Schrattenthal, die Ferienwohnung, Hochzeitslocation und die Kirschbäume findet ihr unter www.schloss-schrattenthal.at
Schloss Schrattenthal
2073 Schrattenthal
Tel: +43 699 102 88 072
Email:
www.schloss-schrattenthal.at
Weitere Informationen über das Weinviertel und das Retzer Land gibt es unter www.weinviertel.at
Der Besuch erfolgte im Rahmen einer Pressereise auf Einladung der Weinviertel Tourismus GmbH