Das Janáček Theater in Brünn eröffnete das Jahr der tschechischen Musik mit einer fulminanten Aufführung von Bedřich Smetanas Oper Dalibor.
2024 ist das Jahr der Feiern: so wird nicht nur das eben angeführte Jahr der tschechischen Musik gefeiert, sondern auch der 200. Geburtstag des tschechischen Komponisten Bedřich Smetana.
Zur Eröffnung dieser Festivitäten fanden neben Politiker von Rang und Namen (Premierminister Petr Fiala, der Minister für Kultur Martin Baxa und die Oberbürgermeisterin von Brünn Markéta Vaňková) zur Freude der Opernfans und der tschechischen Musik auch viele künstlerische Größen ihren Weg nach Brünn.
In Zusammenarbeit mit der Welsh National Opera präsentierte der bekannte Regisseur David Pountney einen Dalibor, der der Legende über den Ritter Dalibor von Kozojedy einen modernen Anstrich verlieh, ohne jedoch künstlich oder übertrieben modern wirken zu wollen. Inszenierung, Bühnenbild, Lichtregie greifen harmonisch ineinander und verstärken den musikalischen Eindruck.
Pountney sieht Dalibors unterschiedlichen Züge: einerseits als aggressiven Helden, dem nur nach Rache dürstet, der aber gleichzeitig auch ein melancholischer Dichter sein könnte.
Auch die Figur der Milada ist zerrissen: auch sie geht zuerst vollständig in ihren Rachegelüsten wegen des Mordes an ihrem Bruder auf – und doch verliebt sie sich auf den ersten Blick bei der Gerichtsverhandlung in seinen Mörder, Dalibor, und will – nach seiner Verurteilung – plötzlich Gnade für den Täter.
War vielleicht ihre Aussage vor Gericht doch etwas übertrieben? Waren die Richter vielleicht bestochen? Drängen sie den wankelmütigen König Vladislav vielleicht zu einem Urteil und später zur Hinrichtung von Dalibor nicht aus Gerechtigkeitssinn, sondern aus Eigennutz?
Fragen, die das Stück plötzlich sehr aktuell in die Gegenwart führen können …
Doch nicht nur die Inszenierung hat mich beeindruckt, auch musikalisch wurde einmal mehr in Brünn großartiges abgeliefert. Peter Berger, der mich schon in einigen Aufführungen in Brno begeistert hat (Aus einem Totenhaus/Glagolitische Messe, Die griechische Passion) liefert einen großartigen Dalibor, der nicht nur einmal spontanen Szenenapplaus erhält.
Auch die beiden Frauenrollen sind hervorragend mit Csilla Boross als Milada und Jana Šrejma Kačírková als Jitka besetzt.
Tomasz Konieczny als Vladislav, Daniel Kfelíř als Budivoj, David Szendiuch als Beneš und Ondřej Koplík als Vítek stehen mit ihren Darbietungen den anderen in keiner Weise nach.
Tomáš Hanus leitet souverän das Orchester der Janáček-Oper und ich behaupte jetzt einmal rund heraus, dass es einen tschechischen Dirigenten oder einem tschechischen Orchester bedarf, um die Töne der tschechischen Komponisten mit so viel Schmelz und Hingabe in die Welt zu bringen. Am besten beides.
Das Publikum war ebenso wie die Ehrengäste hochzufrieden. Minutenlanger Applaus und Standing Ovations. Ich gestehe, ich war ebenso hingerissen und es ist mir ein Rätsel, wieso diese Oper nicht öfter auf den Spielplänen der diversen Opernhäuser zu finden ist.
Auch wenn vielleicht die Geschichte nicht immer ganz schlüssig ist, allein die Musik ist wunderschön und in einer Inszenierung von Pountney ist auch die Erzählung fast in der Gegenwart angekommen.
Was will man als Opernbesucher also mehr? Ich, für meine Person, werde dieses Jahr sicher öfter nach Brünn reisen. Nicht nur wegen Dalibor. Das Janáček-Theater hat noch einige andere Highlights im Programm. Am besten ihr überzeugt auch selbst. Den Spielplan - wie auch den Ticketverkauf – findet ihr – auf Deutsch – unter dieser Adresse: https://www.ndbrno.cz/de/
Wer sich Dalibor nicht entgehen lassen möchte, hat noch folgende Termine zur Auswahl: 4., 10., 25.2. und 9. und 23.3.2024.
Ein Tipp zum Abschluss: Wenn ihr nicht einen längeren Aufenthalt in Brünn einplant (was sich auch lohnen würde), sondern mit dem Auto anreist: unter dem Janáček-Theater befindet sich eine große Parkgarage, die nicht nur einen direkten Zugang zum Theater hat, sondern auch mit – für österreichische Verhältnisse – durchaus leistbaren Preisen aufwartet.
Bedřich Smetana: Dalibor
Libretto: Josef Wenzig
Musikalische Einstudierung: Tomáš Hanus
Regie: David Poutney
Bühnenbild: Robert Innes Hopkins
Kostüme: Marie-Jeanne Lecca
Lichtdesign: Fabrice Kebour
Chorleiter: Martin Buchta
Vladislav, König von Böhmen: Tomasz Konieczny
Dalibor von Kozojedy: Peter Berger
Milada: Csilla Boross
Jitka: Jana Šrejma Kačírková
Budivoj, Kommandant der Burgwache: Daniel Kfelíř
Beneš, Kerkermeister: David Szendiuch
Vítek: Ondřej Koplík
Chor und Orchester der Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno
Der Besuch erfolgte auf Einladung der Janáček-Oper
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