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Das Nationaltheater Brünn feierte zum Abschluss der Saison noch einmal eine große Premiere …

Richard Strauss und ich sind nicht unbedingt eine Liebesgeschichte. Ich kann mich noch an einen Rosenkavalier erinnern, der mich so überhaupt nicht begeistert hat.

Foto © NdB Brno
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Nichtsdestotrotz habe ich mich über die Einladung zur Salome gefreut – vielleicht kann ich ja meinen Frieden mit Richard Strauss schließen. Für manche Komponisten braucht man einfach das richtige Alter (so scheint es mir zumindest). Und dieses Unterfangen ist gelungen ...

Linda Ballová und Birger Radde (Foto © NdB Brno)
Linda Ballová und Birger Radde (Foto © NdB Brno)

Also auf in freudiger Erwartung nach Brünn an einem wunderschönen Sommertag, an dem wir noch ein bisschen Zeit für einen Spaziergang durch Brünn hatten und uns an den Wasserspielen vor dem Janáček-Theater erfreuen konnten.

Die Wasserspiele nach der Vorstellung
Die Wasserspiele nach der Vorstellung

Der Inhalt der Oper ist schnell erzählt:

Am Hofe des Herodes wird sein Geburtstag gefeiert. In einer Zisterne davor ist Johannes der Täufer (Jochanaan) gefangen, den Herodes fürchtet.

Linda Ballová (Salome) und Vit Nosek (Narraboth) - Foto © NdB Brno
Linda Ballová (Salome) und Vit Nosek (Narraboth) - Foto © NdB Brno

Salome, Tochter der Herodias und Stieftochter von Herodes verlässt das Fest im Palast, das sie langweilt. Als sie aus der Zisterne die Stimme von Jochanaan hört, ist sie davon gefesselt. Sie überredet den Wächter Narraboth, den Propheten aus der Zisterne zu holen, obwohl Herodes dies strengstens verboten hat. Narraboth holt Jochanaan aus seinem Gefängnis und begeht Selbstmord.

Birger Radde (Jochanaan) und Linda Bellova (Salome) Foto © NdB Brno
Birger Radde (Jochanaan) und Linda Bellova (Salome) Foto © NdB Brno

Salome ist von Jochanaan fasziniert, sie umschmeichelt ihn und will ihn verführen, doch Jochanaan bleibt standhaft, fordert sie zur Umkehr auf und verflucht sie schließlich. Von den Wärtern wird er wieder in die Zisterne hinabgesenkt.

Herodes (Jaroslav Březina) und Salome (Linda Ballová) - Foto © NdB Brno
Herodes (Jaroslav Březina) und Salome (Linda Ballová) - Foto © NdB Brno

Herodes ist auf der Suche nach Salome. Als er sie endlich findet, bittet er sie für ihn zu tanzen. Salome schlägt ihm seine Bitte ab. Herodes schwört bei seinen Göttern, alle ihre Wünsche zu erfüllen, sei es sein halbes Königreich, Schmuck oder was immer sie wünscht. Daraufhin erklärt sich Salome bereit für ihn zu tanzen und fordert im Anschluss an den Tanz den Kopf des Jochanaan auf einem Silbertablett. 

Foto © NdB Brno
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Herodes ist ob des Wunsches entsetzt und versucht Salome davon abzubringen. Sie jedoch besteht – auch von ihrer Mutter unterstützt, die der Prophet ebenfalls verfluchte, auf seinen Kopf. Schließlich gibt sich Herodes geschlagen und befiehlt Jochanaan zu töten und seinen Kopf Salome zu bringen.

Salomes Tanz (Foto © NdB Brno)
Salomes Tanz (Foto © NdB Brno)

Als er sieht, wie Salome den Kopf von Jochanaan küsst, gibt er Befehl auch sie zu töten.

Foto © NdB Brno
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Inszenierung, Kostüme und Bühnenbild

Die Inszenierung von David Radok, einem der besten Regisseure der Tschechischen Republik, erinnert kaum an Judäa in römischer Zeit. Salome und ihre Mutter Herodias, wie auch die anderen Darsteller sind relativ modern gekleidet. Warum der Page der Herodias in einem Tschador mit Niqab auftritt, habe ich allerdings nicht verstanden. Auch die Bedeutung des Tuches, das Herodes am Anfang um den Leib und den „Anzug“ geschwungen hat, entzieht sich meiner Kenntnis.

Foto © NdB Brno
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Durch die „modernere“ Kleidung der Salome erfährt auch der „Schleiertanz“ eine andere Bedeutung, wobei er mit seiner Aussage wohl recht hat:

„Heute finden wir Nacktheit, Blut, abgetrennte Köpfe, Inzest und noch vieles mehr in jedem zweiten Bühnenstück. Im Jahr 1905 war dies noch ganz anders. Und so müssen wir denn eine angemessene Interpretation dessen finden, was 1905 einen Schock bewirkte. Einen Schock darüber, wie tief der Mensch in seinem Handeln sinken kann. Wir müssen dem heutigen Publikum, das im Bereich der Kunst uneingeschränkten Zugang zu allem hat, etwas bieten, was eine ebenso starke Wirkung hinterlässt. Ich denke, dass wir es hier mit einem Bruch sämtlicher Tabus zu tun haben. Wenn Salome Johannes den Täufer verführen will, dann nicht deshalb, weil sie ein erotisches Begehren verspürt. Sie will einfach ein Tabu brechen – als ob sie den Papst verführen wollte. Sie will das Unberührbare berühren, etwas, was für den normalen Menschen jenseits jeder Vorstellung ist.“

Eigentlich hat Salome Langeweile, sie flieht vor der Geburtstagsfeier ihres Stiefvaters, ist erst von der Stimme Jochanaans fasziniert, kostet aus ob sie Narraboth so weit bringen kann, gegen das Gebot Herodes Jochanaan nicht aus der „Zisterne“ zu holen, zu verstoßen.

Der "entblößte" Herodes fleht Salome an, einen anderen Wunsch zu äußern (Foto © NdB Brno)
Der "entblößte" Herodes fleht Salome an, einen anderen Wunsch zu äußern (Foto © NdB Brno)

Es gelingt ihr, sie bekommt Jochanaan zu Gesicht – scheitert jedoch an ihm mit ihren Verführungskünsten. Der anschließende Selbstmord von Narraboth lässt sie ebenso kalt wie ihren Stiefvater. 

Doch Salome besteht auf den Kopf des Johannes (Foto © NdB Brno)
Doch Salome besteht auf den Kopf des Johannes (Foto © NdB Brno)

Radok kommt bei der Aufführung mit einem einzigen Bühnenbild aus und dennoch gelingt es die Geschichte und die einzelnen Bilder schlüssig ineinander überzuführen und spannend zu erzählen.

Herodes und Herodias (Eva Urbanová) - Foto © NdB Brno
Herodes und Herodias (Eva Urbanová) - Foto © NdB Brno

Bildgewaltig die Szene wie Jochanaan an einem Seil aus der Zisterne gezogen wird. Schrecklich und irgendwie eigenartig berührend, wie Salome den abgeschlagenen Kopf des Jochanaan betrachtet und ihn schließlich auf den Mund küsst. Doch der Triumpf ist ein zweifelhafter: nicht nur, dass sie ihrem liebestollen Stiefvater bezirzen musste, merkt sie zuletzt, dass ihr Sieg über den toten Jochanaan ihr nicht die Befriedigung gibt, die sie sich erhoffte, sondern sie eher in Richtung Wahnsinn treibt.

Foto © NdB Brno
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Die Stimmen

Beeindruckend die stimmliche wie auch schauspielerische Leistung von Linda Ballová als Salome. Sie erhielt völlig zu Recht den meisten Applaus und standing ovation vom Premierenpublikum. Ausgezeichnet – nach leichter anfänglicher Schwäche, die auch der „Tiefe der Zisterne“ geschuldet war – auch Birger Radde als Jochanaan. Beide hatten manchmal mit der Lautstärke des Orchesters der Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno zu kämpfen, das ansonsten aber von Marko Ivanović hervorragend geleitet wurde.

Foto © NdB Brno
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Jaroslav Březina als Herodes und Eva Urbanová als Herodias lieferten ebenso wie Vít Nosek als Narraboth und Jana Hrochová als Page der Herodias eine solide gesangliche Vorstellung.

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Fazit: Eine Salome von Richard Strauss, die mich fasziniert und keine Sekunde gelangweilt hat. Ein toll aufspielendes Orchester, das die harmonischen Melodien der Oper besonders fein zur Geltung gebracht hat und bei den kraftvollen Klängen manchmal die Sänger ziemlich forderte. Eine Salome und ein Jochanaan, die beide gesanglich und schauspielerisch überzeugten. Toll – so einen Richard Strauss erlebt zu haben.

Foto © NdB Brno
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Weitere Vorstellungen: 21.,25.6., 6.,17.9., 27.10. und 25.11.2023

Der Besuch erfolgte auf Einladung der Janáček-Oper des Nationaltheaters Brno 


Richard Strauss: Salome
17.6., 21.6., 25.6., 17.9., 27.10. und 25.11.2023
Nationaltheater Brno – Janáček Theater
602 00 Brno-střed
Rooseveltova 31
+420 542 158 120
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https://www.ndbrno.cz/de/

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