Manchmal denke ich, ich bin ein Glas-Junkie. Ich finde es einfach sehr faszinierend, was Menschen aus diesen – eigentlich einfachen – Materialien an Schönem herstellen können.
Tschechien ist und bleibt neben dem Land des Bieres auch das Land des Glases. Die Glasmacher aus Böhmen waren schon zu Zeiten der Jahrhundertwende (vom 19. zum 20. Jahrhundert) und noch früher hochgeschätzt. Damals arbeiteten nicht nur die Wiener Werkstätten mit den Meistern der Glaskunst zusammen.

Glasherstellung hat also lange Tradition in dem Land, das dafür auch die notwendigen Ressourcen aufweisen konnte. Manche der „Glasbarone“ wurden allerdings vertrieben, manche fanden später in Österreich ihr Glück und Namen wie Riedl (Gläser) oder Swarovski (Schmucksteine und mehr) strahlen heute noch immer wie eh und je.

Ein Besuch im Crystal Valley hat mich bereits vor Jahren verzaubert und ich freue mich jedes Mal, wenn ich bei meinen Reisen nach Tschechien auch wieder einmal eine Glasmanufaktur besuchen kann. Dieses Mal waren wir in Poděbrady bei Crystal Bohemia.

Crystal Bohemia beschäftigt sich hauptsächlich mit der Herstellung von Bleikristall. Mundgeblasen und gepresst. Obwohl ich bis zu diesem Besuch ja Bleikristall eher als altmodisch und unmodern eingestuft hätte, war ich trotzdem neugierig mehr darüber zu erfahren. Mit der Führung durch die Manufaktur habe ich nicht nur viel gelernt, sondern auch eine größere Wertschätzung für Bleikristall, die Formen und die Arbeit daran mitgebracht.

Die Glashütte in Poděbrady wurde in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegründet, nach dem Zweiten Weltkrieg wurde sie umfassend modernisiert und die Produktion von 18-prozentigem Bleikristall schrittweise auf 24-prozentiges Bleikristall umgestellt. Dieses ist glänzender, haltbarer, höherwertiger. Dennoch wechselten die Eigentümer etliche Male, die heutige Ära begann 2008 mit der Gründung einer Aktiengesellschaft, 2020 wurde das Unternehmen um die Glashütte in Světlá nad Sázavou erweitert.

Crystal Bohemia gehört zu den weltweit führenden Herstellern von bleihaltigem und bleifreiem Kristallglas und ist mit Abstand der größte Hersteller in der Tschechischen Republik.

Doch nun einige wichtige Tipps:
Keine Bloody Mary in Bleikristall-Gläsern!
Das ist vielleicht der wichtigste Tipp von allen. Bleikristall übersteht sogar die Reinigung im Geschirrspüler – so es ein Schonprogramm gibt und man es nicht täglich macht – aber anscheinen niemals die Befüllung mit Tomatensaft. Daher: nie Tomatensaft, sei es pur oder gemischt in ein Kristallglas füllen.

Gepresst oder geschliffen?
Den Unterschied kann man nur durch „Begreifen“ feststellen. Geschliffenes Bleikristall weist schärfere Kanten als gepresstes auf.

Wieviel Blei?
Ab einer Beimengung von 24% Blei gilt das Bleikristall als besonders hochwertig. Bleikristall zeichnet sich durch einen hohen Lichtbrechungsindex aus, der sich in hoher Brillanz und der Zerlegung der Lichtstrahlen in ein Farbspektrum äußert.

Alle Produkte von Crystal Bohemia enthalten mindestens 24% Blei. Wobei auch die Qualität des Quarzsandes eine Rolle spielt und natürlich die weiteren Rohstoffe wie Kaliumcarbonat (Pottasche), Natriumcarbonat, Kaliumnitrat und noch einige andere Substanzen.

Gibt es auch Kristallglas, das man in den Geschirrspüler geben kann?
Ja, gibt es und sie werden ebenfalls hier von Crystal Bohemia produziert. Dabei wird die Festigkeit des Glases durch die Beimischung von Titan gewährleistet, die Politur erfolgt mit einer Flamme. Damit ist das Glas dann widerstandsfähiger gegen mechanische Beschädigungen und auch nach vielen Spülgängen bleibt es noch immer kristallklar.

Bei der Führung konnten wir einem Glasbläser bei der Arbeit zusehen, aber auch erfahren wie heiß es am Schmelzofen ist. Glas wird ja bei einer Temperatur von 1440°C geschmolzen und dann in Gusseisen- oder Stahlformen bei einer Temperatur von etwa 800°C durch Blasen oder Pressen geformt.

Nach dem Pressen werden die scharfen Kanten mit der Flamme eines Gasbrenners geschmolzen und dann an Ort und Stelle etwas abgekühlt, damit man Verformungen vermeiden kann. Auf einem Förderband in einem Kühlofen wird es langsam geglüht, um spontanes Reißen des Glases zu vermeiden, dabei werden unnötige Teile bei Bedarf entfernt. Scharfe oder unebene Ränder können durch Schleifen oder bei Stielgläsern durch Flammen geglättet werden.

Bei unserem Rundgang haben wir nicht nur gesehen, dass jedes einzelne Produkt am Ende manuell begutachtet und geprüft wird, sondern auch den Meistern in der Schleiferei zugesehen, die in mühevoller Handarbeit die Muster der Designer auf das Glas bringen.

Hut ab – Bleikristall ist doch sehr schön, wenn man es betrachtet – und irgendwie kommt es mir auch gar nicht mehr verzopft oder altmodisch vor. Im Gegenteil. Ich glaube, ich muss in Zukunft meiner neuen Wertschätzung Rechnung tragen und mir das eine oder andere schöne Stück zu legen.

Im Shop von Crystal Bohemia gibt es dann gleich eine ausgezeichnete Auswahl dazu. Vielleicht ein Cognac-Schwenker oder doch ein Whisky-Glas??

Führungen werden in tschechischer und englischer Sprache angeboten. Bitte erkundigt euch aber auf jeden Fall vorab, ob eine Führung stattfindet, vor allem wenn ihr sie in englischer Sprache besuchen wollt. An Führungen in Deutsch wird noch gearbeitet.

Crystal Bohemia
29 001 Poděbrady, Jiráskova 223
Tel: +420 325 602 oder +420 601 308 761
Email:
https://www.crystal-bohemia.com/en/