Brünn und Janáček wachsen mir immer mehr ans Herz. Umso schöner beim diesjährigen Janáček-Festival in Brünn dabei zu sein …
Brünn ist nur eineinhalb Autostunden von Wien entfernt, vielleicht zwei, wenn man nicht gerade wie ich in Floridsdorf wohnt. Damit also in einer akzeptablen Entfernung, um auch nur für eine Vorstellung nach Brünn zu fahren. Allerdings – wer Lust und Zeit hat – es gibt in dieser Stadt auch einiges anderes zu sehen. Das ist aber eine andere Geschichte …
Die Sache Makropulos
Im Janàček Theater war im Rahmen des diesjährigen Festivals die Staatsoper Unter den Linden aus Berlin zu Gast. Obwohl ich schon einige Janáček Opern gesehen hatte, war mir Die Sache Makropulos unbekannt. Also zumindest vorher einmal den Inhalt durchlesen….
Inhalt
Bereits beim Lesen der Geschichte wurde mir schwindlig. Es ist die Geschichte eines fast 100jährigen Erbschaftsstreites bei dem plötzlich die umjubelte Sängerin Emilia Marty in der Anwaltskanzlei auftaucht und überraschende Kenntnisse von der Sache zu haben scheint.
Nach ihren Hinweisen auf den Lagerort von Testament und einigen Papieren mehr, finden sich diese dann auch genau dort und es scheint fast so, als wäre damit der Erbschaftsstreit beendet. In der Zwischenzeit haben sich fast alle in und an diesem Fall handelnde Männer in Emilia verliebt.
Ihr steht allerdings der Sinn nur nach einem ganz bestimmten Umschlag, für den sie sogar mit Jaroslav Prus ins Bett steigt, um ihn zu erhalten. Prus ist, wie auch die anderen „Liebenden“ entsetzt über ihre Kälte – von Liebe oder Zuneigung – egal zu wen, keine Spur.
Schließlich klären sich die vielen Namen – deren Kürzel alle mit E.M. beginnen – über die laufenden Jahrhunderte auf: es handelt sich immer um dieselbe Person: Elina Makropulos, jetzt Emilia Marty, über 300 Jahre alt und – obwohl sie unbedingt an das Rezept des lebensverlängerten Saftes herankommen wollte – doch schon des Lebens müde. Ihr Vater hat diese „Medizin“ für Kaiser Rudolf II. erfunden, doch da dieser die Wirkung nicht selbst ausprobieren wollte, wurde die Tochter als „Versuchskaninchen“ missbraucht, bei der nun ohne einer weiteren Einnahme der Medizin der Altersprozess eingesetzt hat.
Wie sollte man derartige Verwicklungen – und es gibt deren noch einige andere – auf einer Bühne darstellen? Wie die Zeitreise der Elina Makropulos dem Zuschauer näherbringen?
Um es gleich vorwegzunehmen: Es ist Regisseur Claus Guth geglückt. Und wie. Die verschiedenen Orte – wie in der Anwaltskanzlei oder beim Zusammentreffen nach dem Theater verschieben sich auf der Bühne, je nach Bedarf. Dazwischen ein weißer steriler Raum, nur mit einem Hocker, einem Hacken, auf dem Kostüme und Perücken hängen und einer dunklen und beleuchtenden sechseckigen (?) Fläche.
In diesem Raum beginnt das Spiel – mit viel Nebel, der sich langsam lichtet, Atemgeräuschen (?), mysteriöser Atmosphäre und einem Kind in einem Kleid aus der Zeit Rudolf II. gekleidet. Sie stellt die jugendliche Elina dar, daneben die derzeitige Emilia Marty, ohne Perücke, schon unter ihrem Alter leidend.
Dieses wird später auch durch eine alte Frau mit Stock dargestellt, die auf der Bühne erscheint. Mit diesen – eigentlich relativ wenigen – Elementen schafft es das Team um Guth (Set Design: Étienne Pluss, Kostüme: Ursula Kudrna, Licht: Sebastian alphons, Choreografie: Sommer Ulrickson) die Verwandlung und das 300jährige Leben der Emila Marty /Elina Makropulos abzubilden.
Die Mitarbeiter der Anwaltskanzlei erinnern immer wieder daran, dass das Stück von Karel Čapek ursprünglich als Komödie geschrieben war und dieser über die Verwendung des Stoffes für eine Oper anfangs gar nicht besonders begeistert war.
Unter der musikalischen Leitung von Robert Jindra sang und spielte Dorothea Röschmann bravourös die Emilia und wurde auch vom Publikum mit viel Applaus bedacht. Aleš Briscein gab einen ausgezeichneten Albert Greogor und es freute mich besonders wieder einmal Adam Plachetka zu hören – er ist Wiener Opernfreunde sicher bekannt -, der den Jaroslav Prus seine Stimme lieh. Ausgezeichnet auch Jan Martiník als Dr. Kolenatý und Jan Ježek, der Hauk-Šendorf spielte und sang, einen ehemaligen Geliebten von Elina Makropulos, der sie jedoch nach vielen Jahren wieder erkannte und mit ihr flüchten wollte – und dafür von allen anderen als verrückt erachtet wird.
Auch Natalia Skrycka als Krista, Linard Vrielink als Janek Prus, Stephan Rügamer als Vitek oder Adriane Queiroz als Putzfrau sollen nicht unerwähnt bleiben.
Alles in allem keine leichte Kost, aber unbedingt sehenswert. Wer heuer noch das Vergnügen eines Besuchs des Janáček-Festivals haben möchte, muss sich allerdings beeilen. Es dauert nur mehr bis zum 24.11.2024 und viele Vorstellungen (nicht nur Oper) sind bereits ausverkauft.
Wer nicht nur der Konzerte und der Oper wegen nach Brünn kommt, findet hier noch ein paar Ideen zur Übernachtung, wohin man Schmausen gehen kann und welche Sehenswürdigkeiten man unbedingt sehen sollte.
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