16 Jahre lang war Johann Feilacher künstlerischer Leitung des museum gugging. Zum Abschied kuratiert er eine Ausstellung seiner „Lieblinge“.
Feilacher war "Mr. Gugging": sage und schreibe 52 Ausstellung hat er kuratiert und dabei 25 Publikationen herausgegeben. Und er trägt „Schuld“ an meiner wachsenden Begeisterung für die art brut und das museum gugging. Niemand konnte mir so gut die Künstler wie auch die Beweggründe ihres Malens, ihr Denken, ihre Ausdrucksweise nahebringen wie Feilacher.
Ein Rundgang mit ihm im museum gugging war immer wieder ein Fest und eine Eröffnung neuer Sichtweisen. Danke.
Zum Abschluss präsentiert Feilacher im museum gugging nun noch einmal seine Favoriten in der Ausstellung bis 5. März 2023. Ich kann euch nur empfehlen, nützt noch die Zeit, es sind wieder einmal viele sehenswerte Werke in den unterschiedlichsten Techniken und Ausführungen dabei.
Es finden sich Werke der Gugginger Künstler – allen voran August Walla und Manuel Griebler, aber auch „Kleinformatiges“ von Anton Dobay bis Johann Hauser, Ernst Herbeck oder Rudolf Horacek in Gegenüberstellung zu internationalen Künstlern wie Louis Soutter oder Mary T. Smith.
Mich haben beim Rundgang besonders die Puppen von Michel Nedjar beeindruckt, die mich irgendwie an Science Fiction und Gestalten aus dem Wüstenplanet oder Star Wars erinnert haben. Aber auch die Kleinformatserie ist ebenso beeindruckend wie die Arbeiten von August Walla.
Überrascht haben mich auch die Schilder aus Neuguinea. Oder jene Gegenstände wie Malunterlagen oder Pinsel aus dem atelier gugging und die Fotos von verputzten Wandlöchern, die im Zuge der Ausstellungsumbauten gemacht wurden.
Feilacher stellt kunsthistorischen Zuweisungen und Begrifflichkeiten in Frage und das beweist er auch mit dieser Ausstellung wieder.
Johann Feilacher und das art brut center gugging
Feilacher übernahm 1986 von Leo Navratil das Zentrum für Kunst- und Psychotherapie und wandelte es in das Haus der Künstler um. Konsequent beschritt er auch in den nachfolgenden Jahren den Weg des Kunstprojektes und etablierte so die KünstlerInnen aus Gugging in der internationalen Kunstszene.
Mit der Gründung der galerie gugging 1994, der Eröffnung des ateliers gugging 2021 und der Eröffnung des museums gugging 2006 entstand das einzigartige Art Brut Center in Maria Gugging. Im Erdgeschoss des Hauptgebäudes sind Galerie und Atelier untergebracht, im ersten Stock das Museum und wenige Meter vom Hauptgebäude entfernt liegt das Haus der Künstler als betreute Wohngemeinschaft.
Die Ausstellungsräume des Museums sind in zwei Teile gegliedert. Während in einem Teil „semipermanente“ Ausstellungen ihren Platz finden, die alle drei Jahre gewechselt werden und sich den KünstlerInnen aus Gugging widmen, zeigt der zweite Teil halbjährlich wechselnde Sonderausstellungen, die mit internationaler Kunst die Fenster zur Welt öffnen. Kunst wird damit in Dialog gesetzt, soll Gespräche anstoßen, Diskussionen auslösen, Parallelen finden und Kontraste sichtbar machen.
So findet ihr im ersten Teil derzeit die Ausstellung „gugging.! classic & contemporary“ (mehr darüber auf askEnrico hier) und im zweiten Teil die die Abschiedsausstellung „brut favorites.! feilacher’s choice“.
brut favorites.! feilacher’s choice
Der erste Raum widmet sich den KünstlerInnen aus Gugging. Durch die Gestaltung postkartengroßer Formate entdeckte man bei einigen von ihnen ihr künstlerisches Talent. Die „Small Formats“ nehmen daher in der Geschichte von Maria Gugging eine ganz besondere Rolle ein. Hier sollte man sich genügend Zeit nehmen, um all die vielen Details entdecken zu können. Zu sehen sind die farbintensiven Werke von Anton Dobay bis zu den Klassikern wie Johann Hauser, Ernst Herbeck oder Rudolf Horacek. Neben Zeichnungen von Franz Gableck ist auch eine vierteilige große Arbeit von Manuel Griebler zu sehen.
Unbedingtes Augenmerk muss man aber auf die Bilder von einem der berühmtesten Gugginger Künstler, August Walla, legen. Er bemalte Gegenstände, um ihnen das Bedrohliche – aus seiner Sicht – zu nehmen. Nicht nur eine Badehütte aus seinem Garten in Klosterneuburg ist zu sehen, sondern auch viele textgeprägte Bilder, die Einblick in sein philosophisches Universum geben.
Im zweiten Raum werden Werke von Mary T. Smith, Louis Soutter und Martín Ramírez gezeigt. Hier haben mich vor allem die Bilder von Mary T. Smith fasziniert, aber auch die Fingerzeichnungen von Louis Scoutter beeindrucken. Während die Bilder von Smith und Soutter durch ihre Ursprünglichkeit und relativ dicke Strichführung den Betrachter anziehen, überzeugen die Bilder von Ramírez durch ihre Feinheit.
Der nächste Raum ist mein Lieblingsraum in dieser Ausstellung. Zum einen sind hier die mit Fäden umwickelten Objekte von Judith Scott ausgestellt, die der Fantasie freien Raum lassen und deren bunte, teilweise auch einfarbige Skulpturen mit nicht nur mit Schilden aus dem Hochland von Neuguinea in Dialog treten, sondern denen auch die Puppen des französischen Künstlers Michel Nedjar gegenübergestellt sind.
Irgendwie verschwimmen in diesem Raum Zeit und Raum, Gegenwart, Vergangenheit und Zukunft, trennen sich und werden doch wieder eins. „Faszinierend!“ hätte es Mr. Spock wahrscheinlich genannt.
Schließlich teilt sich noch Simone Pellegrini mit seinem bis dato größten Werk, das extra für diese Ausstellung angefertigt wurde, den letzten Raum mit den Dampf-Lokomotiven von Leoš Wertheimer. Auch diese Werke sollte man gesehen haben.
Hier noch ein kleiner, nicht vollständiger Rundgang durch die Ausstellung.
Daher: Nutzt die Zeit, schaut sie euch an und lernt art brut und das museum gugging kennen...
Die Schau ist noch bis 5. März zu sehen. Zur Ausstellung ist ein gleichnamiger, wunderschöner Katalog im Residenz Verlag erschienen mit Beiträgen zur Geschichte des museum gugging, gugginger brut, Louis Soutter, Mary T. Smith, Heinrich Anton Müller, Judith Scott, Michel Nedjar, Leoš Wertheimer, Martín Ramírez, Simone Pellegrini, die Artifakte und tribal art.
Das museum gugging ist Dienstag bis Sonntag von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Montag ist geschlossen (außer an Feiertagen).
AutorIn des Artikels: