Seit Jahren versuche ich, das Orange Wine Festival in Wien zu besuchen und immer ist mir etwas dazwischengekommen. Heuer hat es erstmals geklappt!
Was ist eigentlich Orange Wine?
Vor ein paar Jahren hörte ich zum ersten Mal die Bezeichnung und schön langsam ließ sich ein Trend erkennen. Das Angebot wurde größer und immer mehr Winzer hatten nun auch Orange Wine, der aber gar nicht in Orange, sondern öfter als Weiß oder Rosé daherkam, in ihrem Angebot.
Woher kommt nun der Begriff und wer hat ihn erfunden?
Als Namesgeber fungierten angeblich einige pragmatische britische Sommeliers, die eine genaue Bezeichnung für einen Wein suchten, der aus weißen Trauben hergestellt und über einen längeren Zeitraum (Mazeration) mit den Traubenschalen in Kontakt gelassen wurde. Das Verfahren an sich ist nicht neu, allerdings wird es üblicherweise bei der Rotweinherstellung angewendet.
In der Weißweinproduktion ist diese Herstellungsmethode ebenfalls nicht neu, sondern wurde schon vor langer Zeit angewendet. Aber mit einer schicken neuen Bezeichnung hat man alten Traditionen wieder zu neuem Leben verholfen.
Durch die Mazeration werden zusätzlich Farbpigmente und Tannine aus den Traubenschalen gelöst. Diese geben dem Wein eine goldene oder bernsteinartige Farbe, die diesen Weinen in Georgien, einem Land, das sich mit Mazeration und auch der Gärung in Tonamphoren schon lange beschäftigt, den Namen „Bernsteinwein“ eingebracht hat.
Der Geschmack wird dadurch stärker tanninhaltig, mit dem primären Aroma von Trauben, aber auch von frischen Früchten mit ausgeprägten Kräuternoten.
Wie lange der Mazeration dauert, welche Traubensorten verwendet werden und ob diese sortenrein verwendet oder gemischt werden, liegt in der Hand und im Wissen des Winzers. Von einigen Tagen bis zu einem halben Jahr kann der Prozess dauern.
Nature in the Glass by Orange Wine Festival
Auf meinen Reisen nach Slowenien habe ich bei Weinverkostungen bereits den einen oder anderen Orange Wein probiert. Ehrlich gesagt: Nicht immer zu meiner Begeisterung. Wenn mir auch die Herstellmethode und das Entdecken alter Rebensorten Respekt abringt, steht nun mal für mich der Geschmack an erster Stelle. Mein Geschmack. Mir waren sie oft zu mineralisch, zu viel Säure, um es vielleicht böse zu sagen: zu natürlich. Besonders die ersten Weine, die ich probiert hatte konnten mich nicht überzeugen.
Daher auf zum Orange Wine Festival 2024
Im Museumsquartier finden wir sehr schnell die Arena und die Ovalhalle und damit auch den Eingang zum Festival. Ausgestattet mit Katalog und Probierglas treten wir ein und ich bin überrascht.
Obwohl noch zur frühen Stunde (die Türe öffneten sich um 14:00 Uhr, nun ist es eine Stunde später) kann man die Räume als gut gefüllt bezeichnen. Das Publikum ist also sehr interessiert und ich will mir gar nicht vorstellen, wie es dann am Abend ausgesehen hat. Wir sind – reich mit neuen Eindrücken und Geschmäckern – um 17:00 Uhr wieder gegangen.
106 Winzer aus 13 Länder haben 106 verschiedene Weiß-, Rot-, Rose- und Sparkling-Weine mitgebracht, die nun zur Verkostung stehen. Es ist also in jedem Fall eine Auswahl vorab zu treffen.
Für mich ist das gar nicht soo schwer. Ich suche gleich zu Beginn vertraute Gesichter und werde fündig. Gleich am Eingang findet sich mit Batič, ein Weingut bei dem ich zum ersten Mal mit Orange Wein in Kontakt bekommen bin. Wir probieren einen Angel Belo 2022.
Dann sehe ich bereits gerade aus einen „alten“ bekannten Namen: Kodila, der Spezialist für Prekmurska Schinken (Pršut), aber auch wunderbaren Aufstrichen, Pasteten, Grammeln und mehr. Zwei freundliche Herren sind mit dem Schneiden von hauchdünnen Schinken und dem schmieren von Grammelschmalz-Broten beschäftigt. Hmmm …
Klarerweise komme ich später noch einmal vorbei und dann – geht auch schon der Schinken und ein paar kleine Töpfchen und die Grammeln ganz überraschend mit mir nach Hause.
Die Auswahl ist so groß, wohin sollen wir uns wenden. Wir sehen einen Namensvetter meiner besseren Hälfte, dorthin müssen wir zum Verkosten. Und so finden wir nicht nur den Natural Gemischten Satz und auch den Red Gemischten Satz sehr gut, sondern lernen auch, dass der zu den Jungen Wilden Winzern gehörende Fuchs in Jedlersdorf, also gleich ums Eck von mir zuhause, daheim ist.
Wenn das kein Wink mit dem Schicksal ist. Jetzt können wir die Gemischten Sätze gleich vor Ort abholen …
Ein paar Schritte weiter empfängt uns schon wieder ein weiterer Genuss, der ausgezeichnet zu Wein passt: Käse von Golden Ring Cheese. Auch dort durfte ich schon einmal zu Gast sein und die in den Berg gebaute Reifestätte dieses ausgezeichneten Käses kennen lernen. Mehr darüber erfahrt ihr hier. Dieses Mal begeistert mich vor allem der „Camembert“ – ein Träumchen.
Bereit zum Weitertesten schauen wir nun einmal in Georgien vorbei. Dieses Land hat eine lange Tradition in der Herstellung von Weinen, die bereits seit langen mit der Maische reifen dürfen und auch die Lagerung in Amphoren ist hier schon lange üblich, lange bevor der Name „Orange Wine“ erfunden wurde. Bei Papari Valley trinke ich erstmals einen georgischen Wein, bitte fragt nicht nach Namen und Terrain – ich kann es nicht genau sagen.
Auch bei einem zweiten Besuch bei Bolnisi´s Old Cellar sind wir vom Geschmack und der Freundlichkeit des Herren ganz begeistert, der uns auf Georgisch seinen Weinkeller vorstellt und gleich auch die Umgebung dazu.
Ein kleiner Sidestep führt uns zu den Köstlichkeiten der Stara Gostilna aus Piran. Die kleinen gefüllten Mürbteig Tartelettes sind genial. Egal ob mit Pastete oder mit Roter Rübencreme. Ein Wahnsinn.
Zwischendurch kosten wir noch den Schinken der Kvarner Region und auch das Olivenöl war von hervorragender Qualität.
Inzwischen kommen mehr und mehr Besucher und es wird fast schon schwierig zu einzelnen Ständen zu kommen. Wir besuchen MV Vinarija und der Temperance 2019 findet bei mir großen Anklang. Man sollte sich wieder einmal auf einen Urlaub nach Serbien begeben. Ich kann mich da aus früheren Zeiten an so manchen guten Tropfen erinnern und der Temperance zeigt mir, dass meine Erinnerung nicht trügt.
Dann kommen wir nicht umhin zumindest ein Schlückchen vom Red Pét Nat des einzigen Weinguts aus Wales zu verkosten. Ancre Hill Estates kommen aus Wales und ich hätte nie vermutet, dass in Great Britain, egal wo, auch Wein angebaut werden kann. Hier werde ich von dem freundlichen Herrn eines Besseren belehrt und wider Erwarten schmeckt sein „Frizzante“ auch gar nicht schlecht. Wieder etwas gelernt.
Beim Ursprung 98 aus Wagram lernen wir noch was ein Cuvée Naturell ist (ausgezeichnet) und hier sollte man vielleicht ein anderes Mal auch noch die sprudeligen Varianten probieren. Gut, dass Wagram nicht so weit von mir entfernt ist.
Schließlich komme ich noch zu meinem Favoriten, den ich bereits die ganze Zeit gesucht habe: Marof aus Prekmurje in Slowenien. Obwohl sie auch sehr guten Weißwein produzieren, hier muss ein Schluck Rotwein in mein Glas und auch hier verbindet sich ausgezeichneter Geschmack mit wunderschönen Erinnerungen an einen früheren Besuch. Ich kann mir zwar nicht ganz vorstellen, wie man es schaffen kann, in zwei Stunden von Wien bei Marof zu sein, aber ich denke, diese Strecke werden wir im Frühjahr einmal testen, denn inzwischen ist auch meine bessere Hälfte sehr von den slowenischen Weinen überzeugt und eine Winzertour steht ins Haus.
Da liegt es nahe, auch noch den Merlot von Jure Štekar aus der Brda, den Teran Bastard von Slamič aus dem Kras, den Steyer Mark Cuvée von Steyer aus der slowenischen Steiermark und einen Rebula von Svetlik aus dem Wippachtal zu verkosten.
Um all die tollen slowenischen Weine kennen zu lernen werden wir wohl Tal um Tal und Region um Region „abarbeiten“ müssen. Unterbrochen von Schinkenverkostungen und den vielen Köstlichkeiten, die dieses Genussland auch noch bietet.
Leider sind bei unserem diesjährigen Besuch die tschechischen, slowakischen, kroatischen und italienischen Weine total untergegangen. Doch selbst wenn man nur ein Schlückchen nimmt, die Auswahl ist einfach zu groß und irgendwann macht das Verkosten einfach keinen Sinn mehr. Und schade, wenn man den großartigen Weinen und ihren engagierten Winzern nicht mehr den Respekt zollen kann, der ihnen zusteht.
Daher hoff ich auf ein Orange Wein Festival 2025 und dann schwöre ich Besserung und mehr Aufmerksamkeit auf diese Weine zu richten.