Abseits vom Trubel der Innenstadt findet man im U Bulínů einen gemütlichen Ort mit ausgezeichnetem Bier und gutem tschechischen Essen.
Ins U Bulinů zu gehen war eine Empfehlung des Besitzers des Arco Gästehauses und es war von dort auch ganz bequem zu Fuß zu erreichen. Leider gibt es das Arco Gästehaus nicht mehr - das U Bulinů aber schon.
Die Umgebung hier könnte man als Wohnviertel bezeichnen, daher finden sich in der Nähe auch viele andere internationale Lokale, von mexikanischer Küche über Italiener bis zum Sushi Restaurant. Da wir auf unseren Besuchen immer gerne auch die lokale Küche ausprobieren, waren wir auf der Suche nach einem typisch tschechischen Lokal – und das ist das U Bulínů. Sogar mit ganz viel Tradition.
Und da ich Lokale mit Geschichte und Geschichterln liebe, sei hier auch jene von U Bulínů erzählt:
Die Familie des derzeitigen Besitzers übernahm das Restaurant vom Vorbesitzer 1998 und machte bei der Renovierung wundersame Entdeckungen: nicht nur dass sich hinter den alten Fliesen ein richtiges Stück noch essbares Sirloin Steak mit einer dicken Cremeschicht, einer Zitronenscheiben und Preiselbeeren sowie Knödeln versteckte, fand man neben alten Küchengeräten, einem Gebetsbuch, einem eleganten Damenschuh auch eine Box mit alten Fotografien und als Tüpfelchen auf dem „i“ das Tagebuch von Anežda Tuzarova. Sie erzählt darin die Geschichte von Vincent Bulin, einem Greisler, der hier sein Geschäft hatte und für seine guten Produkte zu akzeptablen Preisen bekannt war. Er heiratet Miluse Drobkova, deren Spitzname „Krümel“ war und die ihren Mann sein ganzes Leben kritisierte. Vincent war arm, aber er arbeitet rund um die Uhr und war zufrieden. Eines Tages lernte er den Dandy Ignac Kuchara kennen, der dann auch öfter sein Geschäft besuchte.
Als eines Tages all seine Waren durch einen Wassereinbruch nach einem schweren Regen vernichtet wurden und Vincent sich in einer schier ausweglosen Situation wiederfand, machte ihm Ignác den Vorschlag mit seinem Blut einen Vertrag zu unterschreiben, um sich damit aus seiner misslichen Lage zu befreien: Mit seiner Seele erstand er damit den Kucharyzor, ein Küchengerät mit dem teuflisch gute Gerichte gekocht werden konnten, die auch stets ausreichten, um seine ganze große Familie satt zu machen. Das Essen in seinem Lokal war das Beste der ganzen Region und dazu war es noch preisgünstig.
Allerdings gab es eine eigenartige Entwicklung: alle Mitglieder der Bulin Familie hatten von Geburt an kleine Hörner am Kopf (ein Phänomen, das später in der Medizin Bulinia genannt wurde). Am Anfang war dies den Gästen unheimlich, doch bald gab es eine neue Spezialität, genannt Kucharovo ucho (Das Ohr des Kuchary) und alle kamen wieder und wieder ins Gasthaus. So wurde der Clan der Bulins größer und größer und Generationen führten das Restaurant.
1901 übernahm Josef Bulin und seine Frau Jaroslava mit ihren fünf Kindern das Restaurant. Fünf Jahre später übergab Josef das Restaurant an seinem Totenbett zur Bestürzung seines Sohnes Maximilian, an Karel Tuzar, einem Verehrer seiner Tochter Vlasta. Maximilian versuchte jahrelang das Restaurant zurück zu bekommen, aber er scheiterte und eröffnete später ein eigenes Restaurant „U Maxe“ am Wenzelsplatz.
Karel Tuzar führte das Restaurant und bekam mit seiner Frau drei Kinder, darunter Anežka Tuzarova, von der das oben erwähnte Tagebuch stammt. Sie übernahm später das Restaurant, nachdem ihr Bruder unter tragischen Umständen 1942 mit seiner Frau ums Leben kam.
In den Kriegsjahren wurde das Restaurant zu einem Platz für alle Hilfebedürftigen. Mit der Hilfe ihrer zwei Kinder und dem verfluchten Kucharyzor konnte Anežda viele Hungrige speisen. Doch bald tauchte wieder der Teufel Ignác Kuchara auf, da er all die guten Taten, die hier passierten einfach nicht ertragen konnte.
Bald darauf hörte der Kucharyzor plötzlich auf zu funktionieren und eine deutsche Artilleriebombe traf das Lokal. Anežda jedoch setzte ihr Leben bis zu ihrem Tod als Nonne in der Diözese von Lourdes fort.
In den kommenden Jahren wurde aus dem Restaurant ein Friseur, eine Polizeistation und ein Lagerhaus. 1973 richtete RAJ hier ein Buffet ein, dass dank seines fantastischen Kellners, Zděnek Šafář, eines der besuchtesten Restaurants von Prag wurde.
Schließlich wurde das Restaurant renoviert und seiner Tradition und Geschichte entsprechend hergerichtet, immer im Gedanken an die verlorene Geschichte und in Erinnerung an den Kucharyzor und an die Wunder, die in seinen Töpfen, Pfannen und Gläsern entstanden.
So schnippte im September 2008, nach erfolgreicher Renovierung der Gaststätte der neue Besitzer nach Sonnenuntergang mit den Fingern und sagte die magische Formel: „Kuchary-Kuchary o zor“ und nun geht die Geschichte weiter …
Doch nun zu jenem Teil, der sicher am meisten interessiert: dem Essen und Trinken.
Im U Bulínů wird Bier frisch gezapft und das schmeckt man eben. Daher bestellt am Besten gleich zu Beginn ein Krügerl. Es kommt kühl und wohlschmeckend mit einer wunderschönen Schaumkrone auf den Tisch. Nachdem der erste Durst gestillt ist, kann man sich der Speisekarte widmen, die es auch in einer englischen Übersetzung gibt.
Wir wollten natürlich unbedingt tschechische Spezialitäten genießen. Eigentlich hatte ich mir eine kleine Portion vorgestellt und so stachen mir die gegrillten Rippchen mit Brot und Sauerrahm ins Auge. In Österreich bedeutet es viel Knochen und wenig Fleisch. Aber: hier sind wir in Tschechien und die Rippchen unterscheiden sich in Zubereitungsart und Größe entschieden. Hier sind die Knochen mit viel Fleisch, das durchaus auch Fett beinhaltet, leicht geselcht, gekocht, dann mit einer Marinade überzogen und nur kurz gegrillt. Dazu einen halben Meter getostetes, resches Brot und der schon erwähnte Sauerrahm. Wieder nix mit den kleinen Portionen. Allerdings muss gesagt werden, dass dieses Gericht natürlich zum Bier hervorragend passt und auch für einen größeren Hunger gedacht ist.
Meine bessere Hälfte hatte sich für eine Lammhaxe entschieden, die anscheinend auch von einem etwas größeren Tier als erwartet stammte. Auch bei dieser Haxe würde man bei uns nicht unbedingt von gegrillt, sondern eher von gekocht sprechen und wer keinen Lammgeschmack mag, sollte von diesem Gericht lieber die Gabel lassen.
Alles in allem ein gemütliches Lokal mit freundlichen Kellnern, prompter Bedienung (vor allem auf das Bier braucht man nicht lange warten und kann beim Zapfen zusehen – Essen dauert natürlich seine Zubereitungszeit) und typischen tschechischen Gerichten, die eben manchmal doch etwas deftiger und anders ausfallen als wir es gewohnt sind. Trotzdem: hingehen und ausprobieren…
Es ist das Ecklokal zwischen Francouzská (auf der die Straßenbahnlinie 22 fährt) und der Budečská, ihr könnt es gar nicht übersehen.