Einen Jelínek, bitte! Besucher des Wiener Schweizerhauses wissen genau, was sie nach dem Genuss der berühmten Stelzen und einem Budweiser brauchen: einen Jelínek!
Der Zwetschkenbrand (Sliwowitz) hat als Digestif in Wien bereits viele Jahre Tradition.
Wenige wissen allerdings, dass der wohlschmeckende Hochprozentige in einem kleinen Dorf in Mähren hergestellt wird. Dort hat die Schnappsbrennerei eine lange Tradition. Das Schicksal der Familien Singer und Jelínek, das eng mit dem bekannten Sliwowitz verbunden ist, endete allerdings tragisch. Wer Luhačovice oder die Walachei besucht, sollte auf jeden Fall auch einen Besuch in der Brennerei einplanen.
Stimmen Sie sich mit ein bisschen Musik auf die Geschichte ein:
Der Ausschnitt stammt aus einem Film, den Sie während einer Führung sehen werden.
Nun zur Geschichte:
Schnapsbrennerei hat vor allem in der Walachei in Mähren eine lange Tradition – so auch im Dorf Vizovice, der Heimat des Jelíneks. Erste schriftliche Erwähnungen einer Brennerei finden sich hier bereits aus dem Jahre 1585. Wurde anfänglich der Branntwein aus Brauereiabfällen hergestellt, kam später das Getreide dazu (der Kornbranntwein). Erst um die Mitte des 18. Jahrhunderts taucht der Sliwowitz im Angebot der Brennereien auf. Die klimatischen Bedingungen für Zwetschkenbäume sind in der Vizovicer Gegend äußert günstig, Anfang des 20. Jahrhundert gab es noch 68.000 Pflaumenbäume. Die Früchte hier sind kleiner als italienische oder griechische, zeichnen sich aber durch einen besonders guten Geschmack aus. Sie werden getrocknet, zu Powidl (Pflaumenmus) oder eben auch zu Sliwowitz verarbeitet.
Die Herren über den Ort haben die Brennerei anscheinend nie selbst betrieben, zumindest seit der Mitte des 17. Jahrhunderts wurde sie in Pacht, zumeist an jüdische Pächter vergeben, der letzte Aron Eichen aus Lipnik nad Becvou kaufte sie 1860 der adeligen Herrschaft ab. 1888 wurde sie an Simon Frisch weiterverkauft, der auch die benachbarte Brauerei gepachtet hatte. Er agierte allerdings glücklos: zuerst stellte die Brauerei 1891 ihren Betrieb ein und 1895 verkaufte er auch die Brennerei.
Die Familie Jelinek war schon des längerem mit der Brennerei verbunden. Jakub Jelinek war bereits vor 1880 für die Herstellung verantwortlich und kurz darauf wurde sein Sohn Zikmund Jelinek Brennereidirektor. 1891 zog der 27-jährige Karel Singer aus Hranice (Weißenkirchen) hierher und pachtete die Brennerei von Simon Frisch gegen Ende 1892, um sie dann 1895 zu übernehmen.
Während dieser Zeit veränderten sich die wirtschaftlichen Rahmenbedingungen der hiesigen Obstproduktion: wurden bis dato riesige Mengen überschüssiger Zwetschken getrocknet und auf den heimischen Markt Österreich-Ungarns verkauft, brach diese Geschäftsmöglichkeit in den 80er Jahren des 19. Jahrhunderts mehr und mehr durch das Aufkommen billiger bosnischer Pflaumen ein. Die walachischen Zwetschken konnten sich am Markt nicht mehr durchsetzen – zusätzliche Sliwowitzbrennereien entstanden neben vielen „Schwarzbrennereien“.
Zikmund Jelinek pachtete 1891 ein Grundstück in der Chrastesovska-Straße und errichtete darauf eine Produktionsstätte für Spiritusgetränke und ein Lager. Das Geschäft ging gut, sodass er 1897 mit Josef Frankl, einem Brennereibesitzer aus Horni Lhota, ein Gasthaus aufkaufte. Noch im selben Jahr baute er auf dem Hof des Hauses eine Produktionsstätte für Essig und Destillatur. Die Brennerei florierte: 1902 wurde ein Gaswerk gebaut, 1908 eine Wasserleitung aus dem Trestensky-Bach gelegt, die Brennerei erweitert und ein Büro angebaut. 1913 wurde noch ein Lager für Spirituosen und Heidelbeerwein gebaut, das ursprüngliche Gasthaus war längst der erweiterten Produktion gewichen. Trotzdem war die Nr.1 die Brennerei von Karel Singer in der Stepska-Straße. Die Marke „Karel Singers Erste Vizivicer Brennerei“ war weit über die Grenzen von Mähren bekannt.
1921 ging der 62jährige Firmengründer in Pension und seine Söhne Rudolf und Vladimir übernahmen die Brennerei, die sie zu Ehren des Vaters als „Zikmund Jelíneks Söhne“ benannten und auch registrieren ließen. Noch im gleichen Jahr kauften sie die erfolglose Brennerei Razov und verlagerten einen Teil der Produktion dorthin. Die Anbindung dieses Werkes an die öffentliche Eisenbahn zeigte für den Standort positive Perspektiven – in den Folgejahren wuchs in Razov eine neue Brennerei, Destillatur, Gäranlage, vier Lagerhäuse und andere Betriebsteile.
1926 trennten sich beide Brüder und arbeiteten getrennt jeder für sich weiter. Rudolf Jelinek übernahm das Werk in Razov und gab der Firma seinen Namen, Vladimir behielt die Marke „Zikmund Jelineks Söhne“ und das Firmengebäude in der Slusovska-Straße. Er kaufte 1927 ein weiteres Gebäude am Bahnhof, wo er eine Brennerei mit Destillatur und Gäranlage aufbaute, der Hof in der Slusovska-Straße diente weiter als Lager.
1934 begann Rudolf Jelinek die Produktion von koscheren Destillaten. Was hier alles beachtet werden muss, erfahren Sie hier:
Die Produktion ist äußerst kostspielig, allerdings setzten sich seine koscheren Produkte sogar in Übersee durch.
Die Brennerei von Vladimir befand sich in einiger schwierigeren Position: nur mit Hilfe von Krediten konnte in die Slowakei expandiert werden, weitere Exporte gelangen vor 1938 nicht.
Trotz der Erfolge der Jelíneks bleib die Brennerei Karel Singers, in der jetzt auch schon seine Söhne tätig waren die größere Firma.
Die größten Einschnitte erfolgten bei allen drei Brennereien während des Zweiten Weltkrieges: da die Familien Jelínek und Singer dem jüdischen Glauben angehörten, drohte ihnen große Gefahr. Bedrich Singer floh kurz vor der Okkupation durch die Nationalsozialisten, auch Rudolf Jelínek reiste für einige Zeit in die USA, kehrte aber wieder zurück. 1940 wurden die Brennereien unter Zwangsverwaltung gestellt, 1941 wurde Karel Singer gezwungen an die sudetendeutschen Brüder Pfeiffer zu verkaufen, im selben Jahr übernahm der überzeugte Nazi Ernst Gabriel Jelíneks Brennerei.
Beide Übernahmen wirkten sich negativ auf die wirtschaftliche Entwicklung der Brennereien aus.
Die Familienmitglieder der Familien Jelínek und Singer ereilte ein trauriges Schicksal. Vladimir Jelínek kam im KZ Flossenbürg um, alle anderen Mitglieder beider Familien, auch die kleinen Kinder, wurden in den Gaskammern von Auschwitz ermordet. Nur die beiden Söhne Rudolf Jelíneks, Zdeněk und Jiri, überlebten. Der Ältere, Zdeněk versteckte sich während des Krieges und schloss sich dem Widerstand an, Jiri überlebte ein Vernichtungslager.
Die nahende Front vertrieb die neuen Besitzer, alles was diese nicht mitgenommen hatten, wurde nun von der Roten Armee okkupiert. Trotzdem wurde die Produktion 1945 wieder mit Hilfe einer staatlichen Subvention begonnen. Zdeněk kümmerte sich auch um den verwaisten Betrieb seines Onkels Vladimir. Er erkrankte jedoch an Tuberkulose und starb bereits 1946.
Die Brennerei Singer wurde 1946 an den früheren Besitzer Bedrich Singer zurück gegeben, der aus dem südamerikanischen Exil zurückgekehrt war.
Doch die Aufbauphase wurde durch den kommunistischen Putsch 1948 unterbrochen, die Brennereien enteignet und unter Staatsverwaltung gestellt. Singer kehrte nach Chile zurück, Jiri Jelínek übersiedelte 1949 mit seiner Familie nach Israel, nachdem er zuvor die Firmenmarke R. JELINEK an den Staat abgetreten hatte.
Die samtene Revolution nahm auch Einfluss auf die Brennerei. Das bisherige Zweigwerk der Mährischen-Slowakischen Konservenfabrik machte sich unter dem Namen Rudolf Jelínek noch als Staatsbetrieb selbständig und wurde schließlich privatisiert. Seit 1998 zeigt sich eine positive wirtschaftliche Entwicklung. Ein Großteil der Produktion sind weiterhin Sliwowitz und Markendestillate und nach wie vor sind die Flaggschiffe der Firma die koscheren Destillate, die erfolgreich in die USA exportiert werden. Jiri Jelínek, der letzte Eigentümer der Firma, konnte diese Entwicklung nicht mehr erleben, er starb 1990 in den USA, nachdem er sich auch um die Rückführung der Brennerei in den Familienbesitz bemüht hatte.
Besichtigung
Eine Führung durch das Firmengelände, sowie die Besichtigung des Museum bringt dem Besucher einen Einblick in die Firmengeschichte und in die Erzeugung der Destillate. Unter anderen kann man an den vielen, unterschiedlichen Gewürzen riechen, die für die Herstellung der unterschiedlichen Produkte notwendig sind oder die unterschiedlichen Gerätschaften, die beim Schwarzbrennen Verwendung finden können, bewundern. Auch ein Blick auf die großen Lagertanks beeindruckt. Selbstverständlich gibt es nach der Führung auch einige Spezialitäten zu verkosten. Im Shop können die verkosteten Produkte auch gleich zu günstigen Preisen erstanden werden - ein schönes Souvenir!
Der Verein der Freunde des Jelínek Sliwowitz
Interessant zu erwähnen ist der Verein der Freunde des Jelínek Sliwowitzs, der das Ziel der Förderung der Tradition und des Namens des Jelíneker Sliwowitz hat. Mitgliedern wird unter anderem eine Archivbox im Lager zur Verfügung gestellt, in der der jeweilige „Jahressliwowitz“ aufbewahrt wird, den die Mitglieder im Rahmen ihrer Mitgliedschaft erhalten.
Herausragende Eigenschaft des Jahressliwowitzes ist der Alkoholgehalt von 50%. Neben Verkostungen und dem „Treffen beim walachischem Schlachtfest“ wird noch ein besonderer Service angeboten, der allerdings nur für die Tschechische Republik gilt: Sollten die Mitglieder auf eine ihrer gelagerten Jahrgänge zugreifen wollten, wird die jeweilige Flasche innerhalb von 24 Stunden nach Hause geliefert.
Produkte
Das Sortiment von R.Jelínek umfasst heute nicht nur den weltbekannten Sliwowitz, dessen besondere Spezialität es ist drei Mal, anstatt der üblichen 2x, gebrannt zu werden.
Neben verschiedenen Obstbränden wurde das Angebot kürzlich um Whisky erweitert. Daneben finden sich auch noch diverse Liköre im Angebot, dessen bekanntester wahrscheinlich der Kräuterschnaps aus Luhačovice ist, der aus 13 Kräutersorten und jungen Fichtentrieben besteht. Wacholderbranntwein, Gin und Wodka sind ebenfalls im Sortiment zu finden.
Der Name und das Logo
Obwohl man eher das R.JELINEK – Logo – gelbe Buchstaben auf roten Hintergrund kennt, findet man auf einigen Produkten, wie z.B. dem Kräuterlikör ein weiteres Symbol: einen Hirschen. Dessen Bedeutung soll hier auch nicht verschwiegen werden: Jelínek heißt auf Deutsch übersetzt Hirschlein.
Weitere Informationen unter www.rjelinek.com
Rudolf Jelínek a.s.
763 12 Vizovice, Razov 472
Der Besuch bei Rudolf Jelinek erfolgte im Rahmen einer Pressereise auf Einladung von Domus communications
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