Er ist mit der Wiener Kaffeehaus-Tradition verbunden, wie die Melange oder das Kipferl. Der Thonetsessel Nr. 14.
Eigentlich stammt der Erfinder des Sessels aus Deutschland, aus Boppard im Rheinland. Seine kleine Tischlerei war bereits damals für die Qualität ihrer Produkte bekannt. Bereits in Deutschland wurde mit dem Biegen des Holzes experimentiert. Doch so richtig erfolgreich wurde Thonet erst in Wien, in das er angeblich auf Einladung von Metternich übersiedelte.
Das Café Daum war das erste öffentliche Lokal, das 1849 komplett mit Stühlen von Thonet ausgestattet wurde. Damals noch mit dem Sessel Nr. 4, dem Vorgänger des berühmten Nr. 14. Das Café Greinsteidl und das Café Museum (von Adolf Loos eingerichtet) folgten.
Thonet verabschiedete sich von der Herstellung von Luxusmöbel. Mit dem Sessel Nr. 14 kam eine Kreation auf den Markt, die preisgünstig war, in Einzelteile zerlegt und dann beim Kunden leicht zusammengesetzt werden konnte und bald ihren Siegeszug rund um die Welt antrat. Der Sessel Nr. 14 gilt als der traditionelle Sessel der Wiener Kaffeehäuser und ist angeblich das meist produzierte Sitzmöbel der Welt. Bis 1930 wurden von diesem Modell bereit 50 Millionen Stück verkauf und da er anfangs drei Gulden kostete, wurde er auch als der „Dreiguldenstuhl“ bezeichnet.
Für Thonet war es wichtig, das Material für seine Stühle ohne lange Lieferwege beziehen zu können. Daher folgte bald auch eine Auslagerung der Fabriken. Und dieser Schritt führte mich auf einer meiner letzten Pressereisen zur Firma Ton, nach Bystřice pod Hostýnem in die Michaela Thoneta 148.
Die Firma Ton liegt etwas außerhalb des Zentrums der Stadt. Wir finden in der Nähe einen Parkplatz und gehen dann zurück zur Vila Thonet, die irgendwie gar nicht in ihre Umgebung passt. Fabrik ist eigentlich auch keine zu sehen. Allerdings eine Tafel, die auf einen Showroom hinweist.
Ich bin gleich ein bisschen enttäuscht. Nur der Showroom? Ich möchte eigentlich nicht nur fertige Sessel sehen, sondern es würde mich interessieren, wie sie gemacht werden. Aber einmal abwarten.
Wir treten ein, werden freundlich empfangen und stehen in modernen Räumen, die – no na net – mit den neuesten Produkten von Ton ausgestattet sind. Da könnte ich mich schon in den einen oder anderen Stuhl verlieben. Meine KollegInnen und ich schauen uns bereits neugierig um und versuchen die Preise zu checken.
Doch vorab geht’s – erraten – doch zu einer Werksführung. Wir bekommen eine Warnweste angepasst und treten auf der Rückseite der Villa aus dem Haus – und sind überrascht.
Nicht nur, dass ein großer, schöner Park hier zum Verweilen einlädt (und auch von den Mitarbeitern genützt werden kann und soll), sieht man nun plötzlich ziemlich große Holzlager und auch die Fabrikhallen.
Mit unserer Führerin brechen wir nun zum Rundgang auf und ich kann nur empfehlen, sich einer solchen Führung anzuschließen. Hier zu arbeiten, muss wirklich Spaß machen. Ich habe selten jemanden erlebt, der mit so viel Freude und Enthusiasmus eine Gruppe durch seine Firma geführt hat. Der nicht nur einmal betont hat, wie stolz sie auf ihre Mitarbeiter und ihre großartigen Produkte sind.
Und der mit unheimlichem Engagement jede Frage beantwortet, genau erklärt, immer wieder bei den Arbeitern auch nachfragt, um alles genau zeigen zu können.
Wir lernen, dass es nicht nur auf das Holz ankommt, sondern auch auf die Gestelle, in denen das Holz zum Biegen eingespannt wird und können schließlich zwei Arbeitern bei dieser Tätigkeit zu sehen.
Hier muss alles stimmen: das Material, aber auch die Kraft der beiden Mitarbeiter, das Holz richtig einzuspannen und der Zeitpunkt wann und wie stark gebogen werden kann. Ich kann mir schon vorstellen, dass da einiges an Erfahrung und „Fingerspitzengefühl“, und auch Kenntnis und Liebe zum Material notwendig ist.
Nachdem wir beeindruckt von den Craftsman weitergehen, sehen wir auch noch die vielen unterschiedlichen Stühle, Sessel und mittlerweile auch Tische, die hier gefertigt werden. Man ist stolz auf die Handarbeit, die hier geleistet wird und wer die Produktion sieht und die Menschen, die hier arbeiten, versteht das auch.
In einem weiteren Raum sehen wir dann auch nicht die Montage des berühmten Wiener Geflechts. Vollends begeistert bin ich dann auch noch, als wir erfahren, dass man hier die Sessel auch zur Reparatur bringen kann, denn es wäre doch schade, einen echten Ton-Sessel nicht weiter verwenden zu können, nur weil vielleicht die Sitzfläche nicht mehr zu gebrauchen ist. Sagenhaft, das passt doch in die gewünschte Nachhaltigkeit unserer Zeit.
Wieso heißt dieses Unternehmen aber nun Ton und nicht Thonet?
Begeben wir uns auf eine kleine Reise durch die Geschichte und setzten dort fort, wo wir weiter oben die Erzählung über Michael Thonet beendet haben.
Michael Thonet ist also in Wien angekommen, die Produktion läuft, das Geschäft weitet sich aus und so sucht er nach weiteren Standorten für die Herstellung seiner Bugholz-Möbel. Wichtig ist dabei vor allem, dass sein Hauptmaterial Holz in der Nähe in guten Mengen verfügbar sein sollte und auch genügend Arbeitskräfte vorhanden sind. So kommt er nach Bystřice pod Hostýnem und findet hier optimale Bedingungen vor. 1861 wird die Fabrik gegründet und natürlich wird hier auch der damaligen Verkaufsschlager, der Sessel Nr. 14 produziert und zerlegt in die ganze Welt verschickt.
Doch in Bystřice arbeiten innovative Köpfe und so entsteht 1876 der Sessel Nr. 18, der noch heute zum Portfolio von Ton gehört und den Beginn des goldenen Zeitalters von Thonet einläutet.
1903 – das Werk in Bystřice entwickelt sich mehr und mehr zum Entwicklungs- und Innovationszentrum entsteht der Sessel Nr.30, der sogar Le Corbusier inspiriert und von ihm häufig bei seinen Projekten eingesetzt wird.
Die Schatten des Ersten Weltkrieges und der Zerfall der Donaumonarchie beeinflussen auch die Thonet Manufaktur. 1924 geschieht das bis dahin Undenkbare: Die großen Konkurrenten am internationalen Möbelmarkt – Thonet und Mundus & Kohn – fusionieren zum größten Möbelunternehmen der Welt.
1930 entsteht wieder ein zeitloses Produkt, das auch heute noch gefertigt wird. Josef Hoffmann entwirft den Sessel Nr.811
Wieder brechen dunkle Zeiten über die Produktion herein, der Zweite Weltkrieg kostet Millionen von Menschen ihr Leben. Das Werk in Bystřice pod Hostýnem wird von der Thonet Mundus Gruppe getrennt, kommt unter staatliche Kontrolle und wird unter dem neuen Namen Ton 1953 als ein tschechoslowakisches Unternehmen neu gegründet.
1994 wird der letzte Schritt der neuen Geschichte vollzogen: Eine Aktiengesellschaft wird gegründet, ein neues Logo kreiert, man ist bereit sich der Marktwirtschaft zu stellen: Mit traditioneller Bugholztechnik, die sich seit 160 Jahren nicht verändert hat, aber um heutige Produktionsmöglichkeiten erweitert.
Dampf, Holz von guter Qualität und ein Mensch, der keine Angst vor Handarbeit hat, sind heute wie damals die Voraussetzungen für unvergängliche und schöne Produkte.
Auf der Website von Ton könnt ihr euch durch ihr derzeitiges Sortiment klicken: https://www.ton.eu/de/produkte
Ich bin mir ziemlich sicher, dass ihr auch an einigen der angebotenen Produkte Gefallen finden werdet. Wer sich dann dafür genauer interessiert, es gibt auch einige Showrooms in Österreich, wo ihr Ton-Produkte vor Ort anschauen und natürlich auch kaufen könnt. Eine Aufstellung findet ihr hier: https://www.ton.eu/de/showrooms-1
Einige Produkte sind auch über den Webshop bestellbar: https://www.ton.eu/de/ready-to-ship?pager-page=2
Am besten aber ihr macht einen Ausflug nach Bystřice pod Hostynem und schaut euch an, wie euer Traumsessel produziert wird oder genießt die Auswahl ...
TON a.s.
Michaela Thoneta 148
76861 Bystřice pod Hostýnem