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Retz ist nicht nur wunderschöne Stadt, sondern auch eine Stadt der Geschichte und der Geschichtln. Zeit sich mit dem Nachtwächter auf Tour zu begeben.

Ich liebe diese Erlebnisführungen. Sie sind für mein kindliches Gemüt immer wieder ein Erlebnis. Daher war ich auch gleich mit Feuer und Flamme dabei, als ich zu der Nachtwächterführung durch Retz eingeladen wurde.

Wir starten mit dem Nachtwächter am Hauptplatz
Wir starten mit dem Nachtwächter am Hauptplatz

Wir treffen uns am Hauptplatz. Bewaffnet mit einer Hellebarde und einer Laterne steht er vor uns, um uns in die Geschichte der Stadt und der Nachtwächter einzuführen. 

Blick auf das Rathaus und den Hauptplatz von Retz
Blick auf das Rathaus und den Hauptplatz von Retz

Wir erfahren viel über die Gründung der Stadt Ende des 13. Jahrhunderts auf dem freien Felde an einer Kreuzung zweier Handelswege. An die Privilegien, die der Stadt von Anfang an gegeben wurden und dass die Nachtwächter nachweislich seit 1587 ihre Runden durch Retz drehen. Allerdings waren sie nur bis 1878 mit den Hellebarden bewaffnet, doch erst am 31.12.1928 wurde auch der unbewaffnete Rundgang eingestellt.

Blick zum Hauptplatz
Blick zum Hauptplatz

Die Nachtwächter hatten wichtige Aufgaben zu erfüllen: Nicht nur, dass sie nächstens für Ruhe und Ordnung sorgen und das Einhalten der Sperrstunde überwachen mussten (in einer Weinstadt wie Retz sicher nicht immer leicht), sondern sie kontrollierten auch ob die Stadttore ordnungsgemäß verschlossen waren und achteten darauf, dass kein Feuer ausbrach bzw. dass  im Falle eines Falles schnell gelöscht werden konnte.

Trotzdem war ihr Beruf nicht besonders hoch angesehen. „Rechtschaffene Leute verdienen ihr Geld bei Tag und nicht in der finsteren Nacht“, lautet ein weit verbreitetes Vorurteil.

Hier geht's zum Retzer Erlebniskeller unter dem Hauptplatz
Hier geht's zum Retzer Erlebniskeller unter dem Hauptplatz

Und die Nacht war früher oft lang in Retz. Im Winter, noch dazu wenn der Nebel sich über die Stadt senkte und gekommen war um zu bleiben, dauert die Nacht oft von halb vier am Nachmittag bis um 9 Uhr des nächsten Tages. Kam in dieser Zeit jemand zu Sturz, war der einzige Mensch, der ihm wahrscheinlich helfen konnte, ja der ihn überhaupt bemerkte der Nachtwächter. Außer ihm war bei diesen Wetterbedingungen kaum jemand anderer auf der Straße.

Bick zur Dreifaltigkeitssäule
Blick zur Dreifaltigkeitssäule

Es war also kein leichtes Geschäft. Heute ist es anders. Unser Nachtwächter hat Freude daran uns durch die Stadt zu führen und auch mit der Anerkennung des Jobs sieht es in der Gegenwart besser aus. 

Auch wenn man eine Stadt bereits kennt, bieten Führungen immer wieder neue Informationen – und wenn man dann noch in der Dämmerung mit der Laterne durch die Straßen wandert, findet es sogar der eine oder andere Jugendliche „cool“.

Was ich Neues gelernt habe? Wieder eine ganze Menge:

Die Eisenringe im Verderberhaus

Wenn man sich im Durchgang des Verderberhauses genauer umschaut, kann man Eisenringe in den Wänden erkennen. Durch diese Eisenringe hatte man in der Vergangenheit Holzstöcke gezogen und an diese Lederkübel gehängt.

Das Verderber-Haus am Hauptplatz
Das Verderber-Haus am Hauptplatz

Brach nun in der Stadt Feuer aus, war jeder Bürger verpflichtet beim Löschen zu helfen. Doch manchmal fehlten einfach die Kübel. Durch diese Vorrichtung wollte man vorsorgen, dass möglichst schnell Wasser aus den Brunnen des Hauptplatzes zum Brandort kommen konnte. 

Der „alte“ Hauptplatz

Ich finde den heutigen Hauptplatz mit dem Rathaus wunderschön, doch der eigentliche Hauptplatz lag laut unserem Führer zwischen dem heutigen Althof (ehemaliger Standort der Burg Retz) und dem Dominikanerkloster. Hier waren nur Händler mit exquisiten Waren zugelassen, denn die Herrschaft eilte an diesem Platz auf ihrem Weg in die Messe oder zur Beichte ins Dominikanerkloster.

Am alten Hauptplatz
Am alten Hauptplatz

Am alten Hauptplatz kann man auch noch seltsam geformte Steine sehen, deren Bedeutung ich ebenfalls nicht kannte. Es sind die Abdeckungen der Entlüftungsschächte der Kelleranlagen. Wer darauf achtet, kann sie nicht nur in Retz, sondern auch in den Kellergassen des Weinviertels sehen. 
Retz ist nahezu mit Weinkellern „unterminiert“: über 20km lang sollen die Gänge, die allerdings nicht miteinander verbunden sind, sein. 

Diese "Steine" haben eine wichtige Aufgabe
Diese "Steine" haben eine wichtige Aufgabe

Die vielen Weinkeller waren notwendig, um das Privileg Friedrich III. zu nutzen. Dieser hatte 1458 den Retzer Bürgern das Privileg erteilt mit Wein zu handeln. Außerdem mussten damals alle bis 11. November geerntete Trauben der Umgebung zuerst den Retzer Bürgern zum Kauf angeboten werden.

Das Dominikanerkloster

Auch das Dominikanerkloster, besser gesagt die Dominikanerkirche weist eine Besonderheit auf. Sie ist die älteste dreischiffige Hallenkirche Österreichs. 

Vor 15 Jahren allerdings stand das Kloster vor seiner Schließung, da eine Ordensregel der Dominikaner besagt, dass im Kloster mindestens drei Mönche, in Ausnahmefällen zwei Mönche leben müssen. In Retz war bereits der Ausnahmefall eingetreten und einer der beiden wollte sich noch dazu auf den Weg in ein anderes Kloster begeben. Doch mit Hilfe des Erzbischofs von Wien, Kardinal Christoph Schönborn konnte die Schließung verhindert werden und drei Mönche des Ordens der Ritter der flammenden Liebe des unbefleckten Herzen Mariens für das Kloster gewonnen werden. 

Blick zur Dominikanerkirche
Blick zur Dominikanerkirche

Natürlich wird bei einem Nachtwächter-Rundgang auch ein bisschen Gossip erzählt: So treffen sich angeblich der Kardinal und der Schriftsteller Peter Turrini, der in der Nähe von Retz wohnt, auch immer wieder hier zu ausgiebigen Diskussionen.

Beim Kloster schauen wir auch noch schnell die steinerne Bank, auf der angeblich die Bedürftigen früher auf die Verteilung der Klostersuppe warteten.

Bei den Dominikanern
Bei den Dominikanern

Vorbei an einem Haus mit aufgemalten Fenstern, die mir ehrlicherweise nicht als „falsche“ aufgefallen wären, wenn man mich nicht aufmerksam gemacht hätte, gehen wir noch an einem der Stadttore langsam und in der Mitte der Straße wieder zum Hauptplatz zurück.

Ein Nachtwächter geht immer in der Straßenmitte

Warum ist/war das eigentlich so? Nun ja, erstens gab es in der damaligen Zeit keine Gehsteige. Zweitens musste man in der Vergangenheit nur mit wenig Verkehr rechnen und wenn wirklich einmal ein Pferdefuhrwerk vorbeikommen sollte, konnte man dieses durch das Hufgeklapper schon lange vorher hören und drittens? Dieser Punkt ist wahrscheinlich entscheidend.

Ein Nachtwächter geht immer in der Mitte der Straße
Ein Nachtwächter geht immer in der Mitte der Straße

Die Hygieneregel der damaligen Zeit waren – sagen wir es einmal freundlich – ziemlich großzügig. Um nicht in finsterer Nacht auf ein zugiges Plumpsklo im Hof (so es das überhaupt gab) gehen zu müssen, hatte man einen Nachttopf unter dem Bett stehen. Wenn sich dieser nun füllte, dann leerte man ihn – ja, genau – zum Fenster hinaus auf die Straße. Daher war es zu jener Zeit nicht nur für den Nachtwächter, sondern für alle Passanten eigentlich besser nicht zu nahe an den Fenstern entlang zu gehen …

Zurück am Hauptplatz
Zurück am Hauptplatz

Am Hauptplatz zurück erfahren wir noch Wissenswertes über das Rathaus, das wunderschöne Sgraffiti-Haus und die Dreifaltigkeitssäule, die ich bereits im Artikel über Retz geschrieben habe.

Nun leuchtet schon die Laterne
Nun leuchtet schon die Laterne

Ein – doch ziemlich wichtiger – Hinweis gibt uns der Nachtwächter, der inzwischen auch seine Laterne angezündet hat, noch zum Schluß:
Obwohl das Weinviertel besonders für seinen Grünen Veltliner bekannt ist, findet auch der Blaue Portugieser wieder mehr und mehr Freunde.

Nicht nur dass ein Blauer Portugieser aus Retz beim Staatsbankett anlässlich der Unterzeichnung des Staatsvertrages ausgeschenkt wurde und von diesem Jahrgang auch noch eine Flasche im Retzer Erlebniskeller besichtigt werden kann, fließt beim jährlichen Weinlesefest in Retz der Blaue Portugieser aus dem Brunnen am Hauptplatz. 

Die Renaissance des Blauen Portugieser hat anscheinend wieder begonnen.

Die Nachtwächterführungen sind über die Gästeinfo am Hauptplatz oder über die Website buchbar:

Gästeinfo Retzer Land
2070 Retzer Land, Hauptplatz 30
Tel: +43 2942 2700
Email: Diese E-Mail-Adresse ist vor Spambots geschützt! Zur Anzeige muss JavaScript eingeschaltet sein.
www.retzer-land.at

Mehr über Retz findet ihr hier auf askEnrico und unter www.weinviertel.at

Die Führung erfolgte im Rahmen einer Pressereise auf Einladung der Weinviertel Tourismus GmbH

 


AutorIn des Artikels:

Haben Sie Wien schon bei Nacht gesehen?