Der Prager Bezirk Holešovice mausert sich immer mehr zum Treffpunkt von Kunstfreunden und Genießern. Das Dox ist ein gutes Beispiel dafür…
Das Dox ist mehr als ein Museum für Contemporary Art. Frei (da nicht staatlich) und frech bezieht es mit seinen Ausstellungen und Veranstaltungen Position zu den unterschiedlichen gesellschaftlichen Entwicklungen. Legt die Finger in die Wunde, wenn etwas schiefläuft und lässt sich von niemanden den Mund (oder die Ausstellung, den Workshop, den Event 😊) verbieten.
Ich konnte im Rahmen einer Pressereise das Dox besuchen und war mehr als begeistert. Zuerst fielen mir – neben den Fahnen natürlich – bereits coole Sprüche auf den Außenmauern auf.
Wenn man dann in den Hof des Museums kommt, wird man auch bereits von der Kunst und von Vaclav Havel begrüßt. Die knöchrige Hand war einigermaßen makaber und auch der „Jesus“ (meine Interpretation) an einer Hausmauer überrascht.
Noch mehr fasziniert war ich allerdings von der Zigarre, die am Dach des Hauses lag und anscheinend verschiedene Flügel des Gebäudes verband. Es wird doch nicht ein Luftschiff hier irrtümlich gelandet sein.
Der Name ist Programm
Dox schien mir auch ein komischer Name für ein Museum moderner Kunst zu sein, aber wenn mehr darüber erfährt, passt die Bezeichnung eigentlich sehr gut. Er leitet sich vom griechischen Wort doxa ab, das unter anderem Meinung bedeutet.
Im Dox werden daher nicht nur tschechische und internationale Kunst präsentiert und der Austausch zwischen lokaler und internationaler Kunstszene gefördert, das Team sieht ihr Haus als eine dynamische kulturelle Plattform, die Raum für Konfrontation und unterschiedliche Ansätze und Strömungen sein soll.
Daher gibt es nicht nur Begleitprogramme zu den jeweiligen Ausstellungen, sondern auch öffentliche Veranstaltungen, Filmvorführungen, interaktive Workshops und öffentliche Happenings, mit denen immer aktuelle gesellschaftliche Themen einer kritischen Reflexion unterzogen werden und die auch außerkünstliche Bereiche wie Psychologie, Philosophie, Geschichte, Soziologie und Politikwissenschaft betreffen können.
Eröffnet im Jahr 2008, erhielt der Umbau einer ehemaligen Fabrik gleich im selben Jahr eine Nominierung für den Mies-van-der-Rohe-Preis. 3.000m2 stehen für Ausstellungen zur Verfügung, außerdem warten ein Café mit einer Terrasse, eine Buchhandlung und ein Designershop auf die Besucher.
Einzigartig fand ich auch, dass man für Kinder einen eigenen Spielraum eingerichtet hat. Eine gute Idee, da die einen oder anderen Ausstellungen bzw. Bilder für Kinder wirklich nicht geeignet erscheinen können.
The Pain of Others
Initiiert vom Direktor des Dox, Leoš Válka, erinnert die Ausstellung an den Krieg in der Ukraine, der bereits vor einem Jahr begann und versucht die Frage zu stellen, ob wir uns in den Schmerz der anderen während eines Krieges hineinversetzen können. Wie können wir – auch durch Kunst – jene Schmerzen, die Angst, den Horror jenen begreiflich machen, die es nicht erlebt haben?
In der Schau sind nicht nur Klassiker wie Fotografien von Robert Capa oder Gemälde von Francisco Goya und Otto Dix zu sehen, sondern es werden Werke von 40 zeitgenössischen Künstlern aus den unterschiedlichsten Ländern gezeigt (auch ein Bild von Gottfried Helnwein).
Darunter natürlich auch Künstler aus der Ukraine. Damit soll an diesem traurigen Jahrestag auch jenen Künstlern gedacht werden, die in diesem Krieg ihr Leben lassen mussten oder immer noch an der Front kämpfen.
Es ist auch die Erinnerung, dass wieder Krieg auf europäischen Boden stattfindet. Die Tschechische Republik ist nur 400km von der Grenze der Slowakei zur Ukraine entfernt. Und es soll wahrscheinlich auch die tschechischen Besucher bestärken, dass es richtig ist und war, viele ukrainische Flüchtlinge (hauptsächlich ältere Frauen und Mütter mit Kindern) aufzunehmen.
Immerhin hat Tschechien seit dem Beginn der Auseinandersetzungen mehr als 490.000 Ukrainer aufgenommen und zählt damit zu den fünf stärksten Unterstützern in der Aufnahme von Flüchtlingen aus der Ukraine.
Die Kuratoren der Ausstellung – die für mich manchmal wirklich schwer zu ertragen waren – setzten ihren Schwerpunkt nicht auf einen bestimmten Krieg oder gegen eine bestimmte Politik oder Ideologie. Ihr Anliegen ist es vielmehr, eine universelle menschliche Erfahrung anzusprechen – unsere Fähigkeit, uns mit dem Schmerz und Leid anderer Menschen zu verbinden, insbesondere durch Kunst.
Die Exhibition zeigt Bilder, Fotographien, Drucke, Videos und Installationen, moderne und „alte“ Werke. Zwischen neu geschaffener Kunst findet sich Stücke von Goyas Serie „Die Katastrophe des Krieges“ aus den Anfängen des 19. Jahrhunderts oder Roger Fenton’s Fotografien „Tal der Todesschatten“ über den Krimkrieg, die ersten Kriegsfotografien aus dem Jahre 1855.
Erschütternd sind auch die Werke von ukrainischen Künstlern, die gerade jetzt mitten im Krieg leben und arbeiten, wie Bohdan Sokur, ein junger Maler und Tattoo Künstler aus Kiyv, dessen Kriegs-Skizzenbuch alltägliche Gegenstände und Situationen aus seiner unmittelbaren Umgebung an der ukrainischen Front wiedergibt.
Alle Werke berühren durch die menschlichen Schmerzen, die sie zum Ausdruck bringen. Es ist keine leicht verdauliche Ausstellung, sie bedrückt und macht uns wieder deutlich, wie wenig sich die Menschheit weiterentwickelt hat. Wie kann es sein, dass Menschen so grausam zu Menschen sein können? Haben wir noch immer nichts aus den vergangenen Katastrophen gelernt?
Der Gulliver
Ich war, ehrlich gesagt, froh als wir danach auf das Dach stiegen, um den Gulliver zu besuchen.
Inspiriert von den Luftschiffen des frühen 20. Jahrhunderts ist es 2016 am Dach des Museums gelandet. Urheber des Gulliver ist der Architekt Martin Rajniš, der den 42 Meter langen Zeppelin aus Stahl und Holz auf das Dach „gesteuert“ hat.
Im Inneren finden kleine Ausstellungen mit moderner Kunst, aber auch Lesungen statt. Nicht nur das Äußere des Zeppelins, auch das Innere ist mehr als sehenswert. Egal, welche Ausstellung im Inneren lockt, lasst euch das Luftschiff keinesfalls entgehen.
Die Multifunktionshalle Dox+
Mit der Multifunktionshalle, die 2018 eröffnet wurde, besitzt das Dox nun – last but not least – auch einen Ort, der ideal für Theater, Tanz, Musik, Kino oder Performancekunst geeignet ist.
Das Dox ist Mittwoch bis Sonntag, jeweils von 12.00 Uhr bis 18:00 Uhr geöffnet. Montag und Dienstag ist geschlossen.
Wer öffentlich anreist, nimmt die Metro Linie C bis zu Nádraži Holešovice und ist in 5 Minuten Fußweg beim Museum oder ihr fahrt noch eine Station mit der Straßenbahn. Wer mit der Straßenbahn vom Zentrum kommt, steigt an der Station Ortenovo náměstí aus.
Informationen über die gerade laufenden Ausstellungen und Veranstaltungen findet ihr hier: https://www.dox.cz/en
Dox – Centrum současného umění
170 00 Praha 7, Poupětova 1
Tel. +420 295 568 123
Email:
www.dox.cz/en
Der Besuch erfolgte im Rahmen einer Pressereise auf Einladung von Czech Tourism Wien
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