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Eine Weltpremiere fand am 14.6.24 im Janáček-Theater in Brünn statt: Here I am, Orlando. (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Mit dem Auftragswerk setzt die Janáček-Oper einen weiteren Höhepunkt im Jahr der tschechischen Musik. Komponistin  Ľubica Čekovska und Librettistin Viktorie Knotková zeichnen hier nach dem Roman Orlando von Virginia Woolf Orlando, die unglaubliche Lebensgeschichte von Orlando nach, sein Schwanken zwischen Frau und Mann, seine erste große Liebesenttäuschung, die sein weiteres Leben bestimmen soll, seine Schwierigkeiten der Identitätsfindung und die Reaktionen seiner Umgebung. Auch die – heute noch teilweise immer geltende - unterschiedliche Akzeptanz und Stellung von Mann und Frau in der Gesellschaft wird thematisiert.

Orlando vor dem Gericht (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Orlando vor dem Gericht (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Abgehandelt wird all dies im Rahmen einer Gerichtsverhandlung, die klären soll, ob Orlando ein Mann oder eine Frau ist. Dabei laufen Episoden aus seinem Leben ab, die über Jahrhunderte reichen.

Zeugen werden aufgerufen (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Zeugen werden aufgerufen (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Kein leichter Stoff also. Schon schwierig genug, die Zeitsprünge nachvollziehbar auf die Bühne zu bringen, zusätzlich muss aber noch die wechselnde Identität von Orlando/Orlanda erzählt werden. Eine Mammutaufgabe, die aber meiner Meinung nach recht gut umgesetzt wurde.

Rosita Pepita und Orlando (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Rosita Pepita und Orlando (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Eine „Zeitmaschine“ zählt die Jahre rauf und runter und gibt auch gleichzeitig den Hinweis, wo wir uns im Leben von Orlando/Orlanda befinden. Die Zerrissenheit der Identität wird nicht nur durch das gleichzeitige Auftreten von Orlando und Orlanda ausgedrückt, sondern auch dadurch, dass die Rolle des Orlandos durch einen Countertenor besetzt ist.

Rückblicke im Leben Orlandos (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Rückblicke im Leben Orlandos (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Beeindruckend auch wieder Bühnenbild, Lichtregie und die Kostüme.

Doch nun zur Musik. Ich bin nicht unbedingt eine Freundin der modernen Töne. Obwohl ich Philip Glass einiges abgewinnen kann, habe ich noch immer ein leichtes Trauma, wenn ich an ein Konzert denke, in dem Xenakis auf dem Programm stand. Vielleicht hatten wir aber auch nur einen schlechten Beginn. Egal.

An Board als Orlanda (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
An Board als Orlanda (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Daher muss ich gestehen, dass der erste Akt, sowohl musikalisch wie eben auf Grund der Handlung für mich „gewöhnungsbedürftig“ ist. Keine klaren Melodien, an die ich mich als „gewöhnlicher“ Opernbesucher „anhalten“ konnte. Eher eine schnelle Abfolge rezitativ-ähnlicher Auftritte, die natürlich auch mit dem Geschehen, der Zerrissenheit der Persönlichkeit von Orlando zusammenhängen. Man versucht der Handlung, der Entwicklung der Geschichte und den Personen zu folgen.

Here I am Orlando (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Here I am, Orlando (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Doch dann nach der Pause – Orlando erinnert sich an seine Jugend, seine erste Liebe, der Chor tritt auf und mein Gesicht begann zu strahlen, meine Ohren mit! Wunderbare Melodien, ein toller Chor, ein wunderbares Opernerlebnis. Allein schon wegen dieser Szenen sollte man die Oper unbedingt anschauen. Als weiterer Höhepunkt dann noch der Auftritt von Magdaléna Vášáryová als Königin Elisabeth – eine Sprechrolle mit Musikbegleitung – genial.

Here I am, Orlando (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Here I am, Orlando (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Kurz zusammengefasst: Eine Oper, die auch all jenen etwas bietet, die normalerweise einen Umweg um moderne Musik machen. Eine schwierig umsetzbare Handlung, die aber recht gut vom Libretto und der Regie gelöst wurde. Traumhafte Chorpassagen. Einige Längen in Musik und Handlung. Die Kenntnis von Virginia Woolfs Orlando hilft wahrscheinlich bei der Verfolgung der Geschichte.

Orlandos große Jugendliebe -Saša (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Orlandos große Jugendliebe -Saša (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Die Besetzung ist ausgezeichnet. Markéta Cukrová ist eine stimmlich hervorragende Orlanda, Maayan Licht ein ausgezeichneter, quirliger Orlando. Obwohl wegen Unpässlichkeit entschuldigt, die man vielleicht bei den ganz hohen Tönen, die die Komponistin der Figur abverlangt ein bisschen merkte, zeigte er sogar eine hervorragende Tanzeinlage, die das Publikum ebenfalls mitriss.

Beeindruckend – wie schon erwähnt – Magdaléna Vášáryová als Königin Elisabeth mit einer ungeheuren Bühnenpräsenz.

Beeindruckend - der Auftritt der Queen Elisabeth (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Beeindruckend - der Auftritt der Queen Elisabeth (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Ebenfalls hervorheben möchte ich Richard Šveda als Kapitän, David Nykl als Richter und Saniela Straková-Sedrlová als Gerichtsschreiberin, sowie Monika Jägerova als Saša und Jana Hrochová als Rosita Pepita.

Ausgezeichnet auch der Chor und das Orchester der Janácek Oper unter der Leitung von Robert Kružík.

Here I am, Orlando Orlandos große Jugendliebe -Saša (Foto ©  Janáček Theater, Marek Olbrzymek)
Here I am, Orlando (Foto © Janáček Theater, Marek Olbrzymek)

Mit einem Wort: Wer für Neues offen ist, sollte sich nach Brünn bewegen. Die weiteren Termine von Here I am, Orlando sind am 19.6., 14.9., 13.10., 22.12.2024, 5.1.2025


Here I am, Orlando von Ľubica Čekovska
19.6., 14.9., 13.10., 22.12.2024, 5.1.2025
Národni divadlo Brno – Janáček Theater
602 00 Brno
Rooseveltova 31
+420 542 158 120
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https://www.ndbrno.cz

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