Es ist ein richtiges Fest und eine ausgesprochen würdige Aufführung zum 50. Geburtstag der Schloss-Spiele Kobersdorf.
Fast ist es mir schon ein wenig peinlich Lobeshymnen über die Schloss-Spiele zu verbreiten. Aber in diesem Geburtstagsjahr stimmt wirklich alles.
Es war – anfangs – ein lauer Sommerabend, der dann doch von einem kühlen Wind im Schlosshof begleitet wurde. Daher gleich mein Tipp: Eine Decke und eine Jacke mitnehmen. Aber kein Regentröpfchen fiel vom Himmel.
An jedem Spieltag ist die neu renovierte Synagoge zur Besichtigung geöffnet und man sollte wirklich die Möglichkeit nutzen. Während das Schloss sein Publikum bereits um 18:00 Uhr empfängt, wird die Synagoge um 18:30 Uhr geöffnet. Zeit genug aber, sich innen einmal kurz umzusehen.
Im Schlossgraben gibt es auch heuer wieder Schmankerl zur Labung der Gäste: Schnitzelsemmerl oder Semmeln mit Faschierten Laibchen finden und fanden ebenso reißenden Absatz wie die Grammelpogatschen, Aufstrichbrote oder Käsekrainer und Nußkipferl.
Verdursten muss man auch nicht: Vom Aperol Spritzer bis zum Festspielwein und -bier und Sekt ist gesorgt, natürlich wird auch alkoholfreies angeboten.
Doch nun zur Aufführung.
Wolfgang Böck hat sich zum 50.Geburtstag der Schloss-Spiele den „Bockerer“ ausgesucht. Ein Stück, das vielen durch die Verfilmung von Franz Antel mit Karl Merkatz bekannt sein wird. Auch wenn auch der Film bekannt sein sollte, es ist sehr empfehlenswert sich die tragische Posse von Peter Preses und Ulrich Becher in Kobersdorf anzuschauen.
Einiges wird euch dann bekannt vorkommen, vieles dennoch neu sein und eine Theaterbühne – noch dazu mit diesen Schauspielern – bringt die Emotion, das Lachen und das Weinen, das bei diesem Stück eng beieinander liegt einfach noch viel Besser über die Bühnenrampe.
Die Geschichte um den renitenten Fleischer- und Selchermeister Karl Bockerer erzählt von Mitläufern, Vorläufern, Verweigerern, Widerständlern, Helden und Durchschnittsbürgern und sie lädt bei allen wirklich lustigen Szenen und Wortwechseln auch zum Nachdenken ein. Und das scheint mit in der Gegenwart wieder sehr angebracht zu sein. Zu überlegen, wie konnte diese Katastrophe beginnen, warum und was waren die ersten Anzeichen …
Das Bühnenbild von Erich Uiberlacker schaut anfänglich vielleicht etwas sperrig aus, ist aber goldrichtig. Dieses Jahr kommt sogar eine Drehbühne zum Einsatz und die Flexibilität der Bühnengestaltung vereint mit den musikalischen Überleitungen auf der Klarinette oder der Harmonika von Christopher Haritzer sorgen für ein stimmiges Ineinander übergehen der einzelnen Szenen.
Dadurch ist es ohne weiteres möglich ohne große Umbauten vom morgendlichen Bett in die Fleischhauerei, auf den Bahnhof, zum Heurigen oder zum Verhör ins Metropol zu wechseln. In Kombination mit der Lichtregie einfach genial.
Wieder einmal genial Intendant Wolfgang Böck in der Rolle als Karl Bockerer. Die Rolle scheint ihm auf den Körper geschrieben. Obwohl er eigentlich in Linz geboren wurde, hat er sich nicht nur den Wiener Dialekt, sondern auch den Wiener Schmäh und das Wiener Grantln hervorragend zu eigen gemacht.
Er überzeugt in seiner Darstellung des Fleischhauers, der eigentlich mit der Politik nichts zu tun haben möchte, aber trotzdem schonungslos den Irrsinn derselben bloßstellt. Zu beurteilen, ob er wirklich immer so naiv ist, wie er vorgibt zu sein, oder ob die Naivität ein Schutzschild für seine Aktionen ist, bleibt dem Publikum überlassen. Auf jeden Fall sorgen einzelne Szenen dafür, dass einem das Lachen sprichwörtlich im Halse stecken bleibt. Und das ist gut so.
An seiner Seite als Ehefrau Sabine, Binerl, Maria Hofstätter. Sie zeigt zunehmende Begeisterung für das Regime und die Karriere ihres Sohnes in demselben und versucht ihren Ehemann immer wieder „auf Schiene“ zu bringen. Hofstätter verkörpert hervorragend die typische Wiener Hausfrau und Geschäftsfrau, die „nur kane Wellen“ machen will und sich mit allen arrangiert, was da so kommen mag. Aber flexibel wie sie nun einmal ist, wird nach dem Zusammenbruch des Regimes auch gleich die Erinnerung an ihre Handlungen der neuen Situation angepasst.
Weiters im Mittelpunkt der Handlung der vorsichtige Herr Hatzinger, den Wolf Bachofner wunderbar darstellt. Freund und/oder Tarockpartner von Karl Bockerer versucht auch er, keinesfalls mit irgendjemanden der neuen politischen Herrscher anzuecken oder auch nur aufzufallen. Lieber ein Achterl beim Heurigen mehr, aber dann „psst“ schnell nach Hause. Auch er versucht immer wieder, Herrn Bockerer zur Einhaltung der neuen Gesetze und Vorschriften zu bewegen und ist auch bemüht, seinen Bekanntenkreis zu „arisieren“.
Ausgezeichnet auch Andy Hallwaxx, der als Dr. Rosenblatt mit Karl Bockerer jahrelang Tarock gespielt hat, aber nun die Stadt verlassen muss, nicht ohne Binerl noch als Freundschaftsdienst ihre Arierausweise auf mögliche Ungereimtheiten (ein Fragezeichen bei getauft) durchzusehen. Kehrt später als amerikanischer Offizier zur Tarockrunde ohne einen Vorwurf für deren Verhalten wieder zurück.
Markus Freistätter als Sohn von Karl Bockerer, Hans, der sich voll der nationalsozialistischen Idee verschrieben hat, aber dennoch immer wieder in der Zwickmühle steht, seinen Vater für dessen „Untaten“ auszuliefern und zu verraten oder ihm zu helfen, sorgte für mich als Mutter für Nachdenklichkeit und Unbehagen. Wie geht man wohl als Elternteil damit um? Begeistert über die Karriere des Nachwuchses, wie Binerl oder besser wie Karl Bockerer, der seinen Sohn aus der Wohnung weist, als er dahinter kommt, dass dieser den Hermann anscheinend angeschwärzt hat und dieser im KZ umgebracht wurde.
Hervorragend auch das ganze restliche Ensemble: Maria Astl, Tanina Bees, Irene Colin, Hannes Gastinger, Gerhard Kasal, Walter Ludwig, Johannes Rhomberg, Julian Rohrmoser, Jörg Stelling, Christian Strasser, Johannes Terne, die teilweise nicht nur für eine, sondern gleich für mehrere Rollen auf der Bühne stehen. Grandios. Ich stelle mir das echt wahnsinnig schwer vor, während eines Stückes darstellerisch von einer Gestalt in die andere zu „hüpfen“.
Toll auch die Regie von Claus Tröger, der die richtige Balance zwischen Lachen, Weinen und Nachdenken auf die Bühne bringt. Diese Waage zu finden ist bei einem Stück wie „Der Bockerer“ nicht einfach, noch dazu im Sommertheater. Einerseits mag das Publikum unterhalten werden, andererseits sollte es zum Nachdenken angeregt werden, aber ganz traurig und nachdenklich gestimmt will man die Besucher auch nicht in die späte Nacht entlassen.
Auch dieser Plan – Unterhaltung und Nachdenklichkeit – ist meiner Meinung sehr gelungen.
Fazit: Eine würdige und vor allem herausragende Produktion zum 50.Geburtstag in Kobersdorf. Wer noch keine Karten hat, aber das Theater liebt, sollte unbedingt versuchen noch welche zu bekommen. Da einige Veranstaltungen zu Beginn auf Grund einer Covid-Erkrankung abgesagt werden mussten gibt es auch noch Ersatztermine. Gespielt wird immer Donnerstag bis Sonntag, Samstag, der 6. August 2022 ist der letzte Aufführungstermin.
Weitere Infos und Ticketsbestellungen über die Website der Schloss-Spiele Kobersdorf www.schlossspiele.com. Veranstaltungsbeginn ist jeweils 20:30 Uhr, das Schloss ist ab 18:00 Uhr geöffnet, die Kobersdorfer Synagoge ab 18:30 Uhr