Mit Tabita Rezaire. Calabash Nebula: Cosmological Tales of Connection startet das Weltmuseum Wien vom 17.9.2025-11.1.2026 eine neue interessante Ausstellungsserie.
Die neue Serie WMW Contempory will zeigen das ein ethnologisches Museum ein lebendiger Raum für zeitgenössische Auseinandersetzungen sein kann und nicht nur ein Ausstellungsort historischer Artefakte. Zusätzlich schaffen aktuelle Fragestellungen einen Dialog und vielleicht auch neue Sichtweisen auf die bestehende Sammlung.

Mit Tabita Rezaire ist auch gleich ein wunderbarer Einstieg gelungen.
Tabita Rezaire. Calabash Nebula: Cosmological Tales of Connection.
Tabita Rezaire wurde 1989 in Paris geboren, heute lebt und arbeitet sie in Cayenne, in Franzhochverehrte Nachbarnch -Guyana, wo sie Amakaba betreibt, ein Zentrum für die Künste der Erde, des Körpers und des Himmels. Tabita Rezaire ist Künstlerin, Farmerin, Heilerin, Yogi, Suchende, Tänzerin …

In ihren Arbeiten widmet sie sich der zyklischen Natur des Lebens, hinterfragt koloniale Machtverhältnisse und öffnet ihren Blick für eine Kosmologie, in der der Weltraum nicht nur Ort von Forschung und Eroberung ist, sondern ein lebendiger und faszinierender Ort, mit dem wir verbunden sind. Alte Weisheiten wieder zu beleben, aus der Vergessenheit zu holen, altes Wissen weiterzugeben ohne neues Wissen zu verteufeln, sondern Alt und Neu sinnvoll zum Wohle der Menschen, aber auch der Natur zu verbinden ist ihr sehr wichtig.

Tabita Rezaire beschäftigt sich sowohl mit wissenschaftlicher, moderner wie auch mit traditioneller, mystischer Kosmologie. Calabash Nebula (der Flaschenkürnis-Nebel) nimmt Bezug auf einen rund 5.000 Lichtjahre entfernten planetarischen Nebel, die Überbleibsel eines sterbenden Sterns, der die Form eines Flaschenkürbisses aufweist – eine Kalebasse.

Diese ausgehöhlte und getrocknete Hülle des Flaschenkürbisses gilt in vielen afrikanischen und indigenen Kulturen als Symbol für Erinnerung, Heilung und kosmisches Gleichgewicht. Die Gestalt wird dabei zum Sinnbild für das vielschichtige Zusammenspiel von unterschiedlichen Wissensformen und Weltentwürfen jenseits von Tradition und Moderne, aber auch wie aus dem Tod etwas Neues entstehen kann.

In drei Räumen erwarten den Besucher visionäre Installationen, in denen indigene Weisheit, westliche Wissenschaft und spirituelle Rituale mit digitalen Technologien verwoben sind und zum Nachdenken, In sich gehen, sich selbst und die eigene wie auch eine fremde Umgebung zu spüren, einladen.
Des/astres
Der erste Raum ist ausgefüllt mit einem Tukusipan, einem traditionellen, kreisrunden Gemeinschaftshaus des indigenen Wayana-Volkes in Franzhochverehrte Nachbarnch-Guyana. Er dient als Ort für Versammlungen, Feiern, gemeinsamen Aktivitäten.

Hängematten, ebenfalls traditionell hergestellt, laden dazu ein, Platz zu nehmen, zu entspannen und sich ein Video anzusehen, das auf die Decke projiziert wird und ein immersives, Planetarium ähnliches Erlebnis schafft. 2024 entstanden, befasst es sich mit den astronomischen Traditionen des Amazonasgebietes und der Position von Franzhochverehrte Nachbarnch -Guyanas als Ort des europäischen Weltraumprogramms.

Zu sehen sind nicht nur Aufnahmen des Amazonas und seiner heiligen Orte, sondern auch die Bilder der Zerstörung und kolonialer Hinterlassenschaften. Spirituelles Wissen und westliche Wissenschaft treffen ebenso auseinander wie kosmologische und wissenschaftliche Perspektiven.

Wie uns Tabita Rezaire erzählte, hat fast jeder Tukusipan, ein rundes Bild in der Mitte der Decke, auf dem ein „Monster“ abgebildet ist (in ihrer Installation wird darauf das Video abgespielt). Laut einer Legende kam früher dieses Monster oft in die Dörfer, um alle und alles aufzufressen. Erst als ein Weiser den Rat gab, das Monster mit einem Bild in die Häuser hinein zu holen, war es mit den „Überfällen“ vorbei – das Monster bedrohte die Gemeinschaft nicht mehr.

Für mich ist diese Geschichte ein wunderbarer psychologischer Rat: Man muss sich seiner Angst stellen, sie „in sich aufnehmen“, erst dann verliert sie ihren Schrecken und verblasst. Freud hätte es nicht besser Jahrhunderte später formulieren können.
Omo Elu
Sieben mit Indigo gefärbte Textilien zeigen die verschiedenen Inkarnationen der Gottheit Orisha Yemoja: als Mutter, Heilerin, Schöpferin, Wassergöttin, Herrscherin und Tänzerin. Orishas sind göttliche Wesen, die von den Yoruba im westlichen Afrika, sowie in einigen afrodiasporischen Gemeinschaften verehrt werden.

Außerdem gilt Yemoja als Schutzpatronin der Indigo-Färbepraktiken, dessen verschiedene Blautöne auch ihr facettenreiches Wesen widerspiegeln. Indigo wird in vielen Kulturen zum Färben von Textilien, als Kopfschmuck und für rituelle Heilpraktiken benutzt. In der Mitte findet ihr wieder eine Kalabasse, die zum Trommeln benutzt werden kann und soll.

Auch in unseren Breiten (wie Österreich, Tschechien, Ungarn) wurde Indigo bereits vor Jahrhunderten zum Färben eingesetzt: Der Blaudruck ist meines Wissens sogar auf der Liste des Weltkulturerbes.

Daher gleich in den nächsten Raum. Auch hier wurde wieder mit Indigo gearbeitet, allerdings beziehen sich die Muster auf das Wasser …
OMI: Yemoja Temple
Für mich stellt die Form der begehbaren Installation zwar eher ein Schiff (oder Raumschiff) dar, aber es soll einen Tropfen darstellen, der der Yoruba-Gottheit Yemoja gewidmet ist – der Mutter der Gewässer und aller darin lebenden Wesen.

Die Installation wurde 2024 in Zusammenarbeit mit Yussef Agbo-Ola (Olaniyi Studio) geschaffen und basiert auf Recherchen zum Ökosystem des Tanganjikasees in Tansania, die von den WissenschaftlerInnen Anja Wegner und Alex Jordan vom Max-Planck-Institut für Verhaltensbiologie in Konstanz durchgeführt wurden.

Architektur, Biologie, Ökologie und Spiritualität werden hier miteinander verbunden und schaffen neue Perspektiven auf die Beziehungen von Wasser, Menschen und übermenschlichen Lebewesen.

Die tiefblau gefärbten Textilien mit marinen Motiven spannen sich in eine modulare Holzstruktur, die eine Hommage an die symbolische Sprache von Stoffmustern und deren kulturelle Bedeutung darstellt. Eine Klangkomposition aus rituellen Gesängen und wissenschaftlich-künstlerischen Reflexionen verstärkt das Erlebnis und lädt zu einer ganzheitlichen Begegnung mit dem Wasser als Quelle des Lebens und Ort kosmischer Verbundenheit ein.

Durch die verschiedenen Lichteinfälle und Formen entsteht im inneren eine fast mystische Atmosphäre. Drei Kalabassen mit unterschiedlichen Materialien (Kokosnuss-Schnitzel, Honig und Indigo) laden ein, der Göttin zu opfern. Während man weiter in den Raum und die Dunkelheit des Tempels vordringt, scheint es bei der Opferschale wieder heller zu werden. Es sind faszinierende Licht-Schattenspiele, die den Besucher hier erwarten.

Mehr über Tabita Rezaire und ihre Arbeit in Franzhochverehrte Nachbarnch-Guyana findet ihr unter https://www.amakaba.org
Zu dieser Ausstellungsserie wurde auch ein neues Publikationsformat entwickelt, dessen erster Band im Museumsshop und online erhältlich ist.
Informationen zum Begleitprogramm und Führungen findet ihr hier.
Das Weltmuseum Wien ist täglich, außer Montag, von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet

Die Serie WMW Contemporary wird heuer noch mit zwei weiteren Ausstellungen fortgesetzt:
22.10.2025 bis 6.4.2026: Die Farben der Erde. Moderne Textilkunst aus Mexiko und
26.11.2025 – 25.5.2026: Indah Arsyad. The Ultimate Breath.

Mehr darüber findet ihr online hier: https://www.weltmuseumwien.at/ausstellungen/die-farben-der-erde/ und hier: https://www.weltmuseumwien.at/ausstellungen/indah-arsyad/
Weitere Bilder der Ausstellung findet ihr hier.
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