Eine Sonderausstellung im Sigmund Freud Museum zeigt Werke der Sammlung Klewan bis zum 16.11.2022 und widmet sich dem spannungsreichen Verhältnis zwischen Surrealismus und Psychoanalyse.
Für Freunde des Surrealismus – also für mich zum Beispiel – sind im Moment gute Zeiten angebrochen.
Zuerst widmete sich das Belvedere dem Verhältnis von Dalí und Freund und nun zieht das Sigmund Freud Museum nach und beleuchtet, unterstützt von 100 Werken von über 50 KünstlerInnen und zahlreichen Schriften die Gemeinsamkeiten, aber auch das Trennende zwischen der Psychoanalyse und dem Surrealismus.
Der Surrealismus und Freud
André Breton, der „Gründer“ der surrealistischen Bewegung, feierte Freud als „Denkmeister“, der ihn maßgeblich prägte. Von Beginn an stellten die Surrealisten den Rausch, den Zufall, den Skandal in den Mittelpunkt.
Die Erschließung des Unbewussten, der Mensch als triebgesteuertes Wesen, die Würdigung der menschlichen Sexualität und das Interesse für den Traum durch Freud machten ihn für die Surrealisten zu einem der Ihren, zu dem sie immer wieder Kontakt aufnahmen.
Dabei suchte Freud, sowohl in seinen Begegnungen zu Breton, wie auch zu Dali immer eine gewisse Distanz zu wahren und auf die Unterschiede zwischen ihnen aufmerksam zu machen. Während Breton gegen jegliche Kontrolle durch die Vernunft argumentierte und die Befreiung der Unbewussten selbst anstrebte, versuchte Freu die Ausdehnung der Herrschaft der Vernunft über das Irrationale zu erreichen.
Breton hielt vollkommene Triebbefriedigung für erstrebenswert, Freud betrachtete dies als unmöglich oder gar verboten. Auch sind die Unterschiede zwischen Freuds Verfahren der „freien Assoziation“ und Bretons „écriture automatique“ beträchtlich: während Freud das freie Assoziieren als Mittel in der Analyse einsetzt, um das entstellte Unterbewusstsein interpretativ zu erschließen, bildet für Breton das automatische Schreiben bereits den poetischen Endzweck.
Auch Breton traf Freud, ebenso wie Dalí, nur einmal persönlich. Wobei Bretons Zusammentreffen in Wien stattfand, im Oktober 1921 als er auf seiner Hochzeitsreise Wien besuchte. Das Treffen brachte – wohl auch auf Grunde der oben angeführten Differenzen – keine weiteren Gemeinsamkeiten.
Dennoch blieb man im brieflichen Kontakt und Breton schickte Freud nicht nur sein erstes Manifest 1924, sondern auch immer wieder seine Veröffentlichungen und veröffentlichte auch des Öfteren Briefe, die Freud an ihn gerichtet hatte.
Das Sigmund Freud Museum
Im 9. Wiener Gemeindebezirk, in der Berggasse 19 lebte Sigmund Freud 47 Jahre, ehe er 1938 vor den Nationalsozialisten flüchten musste. Seit 1971 befindet sich hier das Sigmund Freud Museum, das 2020 nach umfassender Sanierung und Erweiterung wieder eröffnet wurde.
Nun geben drei Dauerausstellungen in den ehemaligen Wohn- und Ordinationsräumen Freuds, eine Kunstpräsentation im Schauraum Berggasse 19 sowie wechselnde Sonderausstellungen einen Einblick in Freuds Leben und Erbe.
Die neue Sonderausstellung
Wie bereits erwähnt ist nun in einem Teil der Räume von Sigmund Freuds Wohnung die neue Sonderausstellung „Surreal! Vorstellung neuer Wirklichkeiten“ zu sehen. Solltet ihr jedoch das Sigmund Freud Museum noch nicht nach seiner Renovierung und Erweiterung besucht haben, empfehle ich euch, gleich mehr Zeit mit zu bringen und auch durch das Museum zu schlendern.
Kernstück der Ausstellung sind Werke der Sammlung Klewan, der diese Ausstellung durch seine großzügige Leihe ermöglichte, die mit ausgewählten Exponaten surrealistischer Druckwerke von weiteren LeihgeberInnen ergänzt wurde.
Die Zusammenstellung der Werke belegen die vielfältigen Beziehungen zwischen Psychoanalyse und Surrealismus. Themen wie Begehren und Melancholie stehen im Zentrum der Werke von Hans Bellmer und Kurt Seligmann.
Salvador Dalí setzte sich mit seiner „Paranoischen Kritik“ künstlerisch mit der Arbeit Freuds auseinander, André Masson ist mit der Methode des automatischen Zeichnens „vertreten“, die der „freien Assoziation“ gleichgesetzt wurde.
Die entleerten Bildwelten finden sieht man in den Arbeiten der Brüder Giorgio de Chirico und Alberto Savinio und auch der magische Blick von Paul Delvaux wird in einer eigenen Sektion untersucht.
Gemalte Irritationen prägen die Werke René Magrittes und Otto Tshumis und im Thema Picasso – realer als real wird Pablo Picassos Naheverhältnis zum Surrealismus untersucht. Um hier nur einige Beispiele zu nennen.
Zu sehen sind unter anderem auch noch Werke von Yves Tanguys, Meret Oppenheim, Alberto Giacometti, Conroy Maddox, Viktor Brauner, Toyen (Marie Čermínová, Max Ernst, Dorothea Tanning, Roberto Matta, Man Ray.
Im Collector´s Corner vermitteln Werke von Mac Zimmermann, Edgar Jené, Kurt Regschek, Fritz Janschka und Heinz Stangl einen Eindruck von der Fortsetzung surrealer Bildfindungen wie sie sich ab den 1950er Jahren im deutschen und österreichischen Phantastischen Realismus wiederfinden.
All jenen, die sich für den Surrealismus und/oder Sigmund Freud und die Zusammenhänge interessieren und/oder die eine Ergänzung zur Schau des Belvederes sehen wollen, sei die Ausstellung auf das Wärmste empfohlen.
Über das Sigmund Freud Museum an sich wird dann in unserem neuen Wien-Artikel bald mehr zu berichten sein. Das Sigmund Freud Museum ist Mittwoch bis Montag und Feiertag von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Dienstag ist geschlossen.
Im Museum ist auch ein Shop untergebracht, der ein mehrsprachiges Büchersortiment sowie eine große Auswahl an Souvenirs und Geschenkartikel führt. Im Café, das ebenso wie der Shop auch ohne Museumsbesuch zugänglich ist, warten exklusiver Kaffee und Torten, Wein und Sekt aus Wien, Bier, sowie Biosäfte auf den Besucher.
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