Natürlich denkt man bei Ausstellungen in Wien an Albertina, Belvedere und Kunsthistorisches Museum, aber es gibt auch viele kleine interessante Plätze.
Wien ist reich an Kunst und Ausstellungen. Allein die oben genannten, großen Drei bieten immer wieder fabelhaftes aus ihren Sammlungen und der ganzen Welt.
Ich liebe aber auch die kleinen, versteckten Events. Mit moderner Kunst, jungen, vielleicht noch nicht so bekannten KünstlerInnen. Daher bin ich auch immer wieder gern an solchen Orten zu finden.
Die Soho-Studios in Ottakring sind so ein Platz, an dem immer wieder Neues und Interessantes stattfindet.
Dieses Mal unternimmt man „Eine kollektive Reise zu Klimagerechtigkeit: gemeinsam lernen, gemeinsam handeln“.
Hier wird nicht mit dem Zeigefinger gewedelt, sondern „einfach“ nur zum Nachdenken inspiriert. Und zum Nachdenken kommt man – und hin und wieder auch zum Schmunzeln.
Am 8. November war es so weit, die neue Jahresausstellung (bis 1.12.2024, jeweils Mittwoch bis Sonntag, von 15:00 bis 20:00 Uhr) öffnete ihre Türen.
Fünf verschiedene Ausstellungsbeiträge widmen sich diesem Thema.
Beaver Lab presents Beaver Land von Fabian Holzinger und Franziska Thurner
Beim Betreten des Raumes fing mich als erstes eine relativ große blaue Fläche ein, auf der Stäbe angeordnet lagen und auch zu einem „Haufen“ aufgebaut waren. Beim Näherkommen war das Rauschen von Wasser hörbar – als ob es durch die einzelnen Stäbe gluckern würde. Doch so sehr ich auch versuchte den Ursprung zu finden, keine Chance. Es wurde lauter und leiser, war in der Nähe der Stäbe immer vorhanden, aber kein Bächlein war zu sehen.
Was es mit dieser Installation, dem Biber, dem Gluckern des Wassers und den anderen Geräuschen auf sich hat, erklärten uns die beiden Künstler und Forscher.
Das Beaver Lab erkundet das Zusammenwirken von Natur und Kultur sowie unseren Umgang mit Wildtieren am Beispiel der im 19. Jahrhundert ausgerotteten und nun langsam wieder zurückkehrenden Bibern. Wusstet ihr, dass die Biber schon 15 Millionen Jahre die Erde bevölkern? Oder dass ihre Bauwerke nicht nur für eine weitere Biodiversität sorgen, sondern auch vor Hochwasser und Dürre schützen, das Gewässer reinigen und vieles mehr? So könnten sie ganz „natürlich“ bei der Renaturierung der Flüsse eine große Rolle spielen und uns helfen auf den Klimawandel besser vorbereitet zu sein. In vielen Ländern wird bereits das Leben der Tiere erforscht, das doch in einigen Punkten dem menschlichen ähnelt: Sie leben überwiegend monogam, bauen ihre eigene Infrastruktur, sind sehr sozial, Eltern und Geschwister kümmern sich um die kleineren Tiere und die jeweilige Familie beansprucht eine eigene Region für sich. Wobei Verwandte auf der „Durchreise“ durchaus geduldet werden und sich die Größe der Region nach den Lebensbedingungen, die sie bietet, richtet.
Doch anstelle die Biber willkommen zu heißen und sich seine Baukünste zu Nutze zu machen, gibt es in Österreich wieder einmal in erster Linie den Versuch, seinen Schutz zu umgehen und seine Ansiedlung möglichst zu verhindern. So war auch bei der Pressebesichtigung die einzige Frage eines Journalisten: „Na und die vielen Bäume, die er auf der Donauinsel fällt?“. Die Antwort darauf war entwaffnend: Bäume können sehr leicht zu ihrem Schutz eingezäunt werden und wenn es Pappeln oder Weiden trifft (die Lieblingsbäume der Biber), dann kann man davon ausgehen, dass sie in einem Jahr größer und schöner als zuvor und vielleicht sogar noch verbreitender aus der Schlägerung durch den Biber hervorgehen.
Wer jetzt über die – doch großen – Nager erfahren will, hat nicht nur die Möglichkeit die Ausstellung in den Soho-Studios zu besichtigen, eine Biberfamilie beim Frühstück im Bau zu belauschen, das Wasser plätschern zu hören, Videos zu sehen und weitere Informationen auf den Tafeln zu lesen, sondern auch an zwei Beaver Walks teilzunehmen. Diese sind geeignet für alle ab 6 Jahren, dauern ca. 2 Stunden und besuchen ein städtisches Biberrevier im Wienerwald.
Der erste findet am Sonntag, den 10.11.2024 von 14:30 bis 16:30 Uhr statt, der zweite am Sonntag den 1.12.2024 um 14:00 Uhr. Treffpunkt ist beide Male die Bus Station Hüttergasse. (Mit dem Bus 49A von Station Hütteldorf ab 14:15, an Hüttergasse um 14:27 Uhr. Anmeldung an
All jenen, die mehr über die Biber und das Beaver Lab erfahren wollen, empfehle ich die folgende Website zu besuchen: https://beaverlab.at/ und die putzigen Kerle näher kennenzulernen.
Sensible Systeme
Nach der Idee und dem Konzept von Ursula Gaisbauer, technische Unterstützung durch Marie Janssen. Die Umsetzung erfolgte mit Studierenden der Klasse für ortsbezogene Kunst und die Videodokumentation durch Nick Shandra.
Es sind „nur“ fünf Kermaiktafeln und dennoch zeigen sie, was bereits alles verloren ging. Die Tafeln repräsentieren verschiedene Erdzeiten – Ordovizium, Devon, Perm, Trias und Kreide – und zeigen Pflanzen und Tiere des entsprechenden Erdzeitalters, die aus Ton geformt, zu kollektiven Skulpturen zusammengefügt, getrocknet, glasiert und gebrannt wurden. Sie zeigen, wie sensibel die Systeme sind und wie schnell eine „ausufernde“ Gegenwart eine langfristige Zukunft zerstören kann.
Auch hier lädt die Installation zum Nachdenken ein.
Wenn wir nun weiter in den Raum gehen, können wir uns zwar an einer Kanufahrt in einer wunderschönen Urwald-Landschaft erfreuen und zur Ruhe kommen. Wer sich allerdings entspannen möchte, sollte den Text nicht lesen.
Siona, Reise in die Gegenwart
In dieser Videoinstallation von David Osthoff wird das Verständnis von Zeit, die Verbindung zwischen Vergangenheit und Zukunft, sowie die Auswirkungen des Internets thematisiert. Osthoff reiste zu einer indigenen Siona-Gemeinde am Cuyabeno -Fluss in Ecuador. Bis dato sind sie durch die Lage ihres Dorfes in einem Naturreservat von wirtschaftlichen und technischen Auswirkungen weitgehend verschont geblieben. Das Wissen wurde mündlich von Generation zu Generation weitergegeben, die Gemeinschaft half einander, allerdings war und ist es schwer, sich im Leben außerhalb ihres Ortes zu etablieren.
Mit dem Internet scheint sich aber auch die Gesellschaft zu verändern. Die Jungen wollen fort, studieren, lernen plötzlich eine andere Kultur kennen, die im Gegensatz zu ihrer indigenen Welt steht. Während sich daraus auch Chancen ergeben – der erste Einwohner des Dorfes studiert nun Jura und BWL – gehen mit diesen Änderungen aber auch vieles an Wissen verloren. Schon heute findet sich kaum noch jemand, der das Wissen um die Heilkräfte der Pflanzen im Urwald in sich trägt.
Durch den Klimawandel und die Covid Pandemie kamen auch weniger Touristen in das Dorf, die Einnahmen der Bewohner gingen zurück. Da auf dem Gebiet allerdings Erdölvorkommen vermutet werden, versuchen bereits Erdölkonzerne das Land, obwohl noch als Naturschutzgebiet deklariert, aufzukaufen und mit Bohrungen zu beginnen. Wie wird es dann hier wohl aussehen? Wird man auch dann noch eine ruhige Kanufahrt machen können?
Osthoff versteht seine Arbeit als work in progress. Er legt über die Bilder die Interviews mit den DorfbewohnerInnen zum Thema Digitalisierung und Internet, die im Laufe der letzten fünf Jahre entstanden sind und die starken Veränderungen innerhalb der Gemeinschaft dokumentieren.
Kollektive Freude im Widerstand & Earth Artivist Labs
Susana Ojeda hat dieses Projekt initiiert und ausgeführt. 2024 ist von wichtigen Diskussionen über Klimagerechtigkeit, aber auch den Aufstieg der extremen Rechten in Europa geprägt. Mit dem Projekt der kollektiven Freude im Widerstand sollte ein Raum für freudigen Aktivismus geschaffen werden, der innovative Protestformen ko-kreiert und alternative Lebensformen bekräftigt. Ökofeminismus, Dekolonialität, Klimagerechtigkeit und Antirassismus wurden in verschiedenen Medien verhandelt, darunter textile Kunst, Grafikdesign, Klang, Körper und Ernährung.
Der erste Blickfang ist ein riesengroßes rotes Netz, das bei einem der offenen Workshops hergestellt wurde, aber es sind auch Schablonen für Protestschilder und allerlei Materialen und Gerätschaften zu sehen, mit denen man laut auf sich und seine Anliegen aufmerksam machen kann.
In offenen Workshops der Brunnenpassage zu Klimagerechtigkeit, Dekolonialität und Umwelt-Rassismus wurde die interaktive Installation und eine Performance geschaffen, die BesucherInnen des StraßenKunstFest am Yppenplatz einluden, darüber nachzudenken, wie wir uns in der Welt bewegen und welche Verantwortung wir in der Klimakrise tragen. Die Installation findet eine gemeinsame Präsentation in der Ausstellung in den Soho Studios und in der Vitrine der Brunnengasse vom 8.11.-10.12.2024.
Mehr über die Earth Artivist Labs und die Brunnenpassage findet ihr hier: www.brunnenpassage.at
Common Ground
Last but not least geht es nun an das letzte Projekt, die letzte Installation und auch hier ist mitmachen gefragt. Konnte man beim Beaver Lab mit verschiedenen Ansichtskarten (sei es als Biber Jüngling, als Eisvogel oder einiges mehr) seinen Platz im Biber Habitat finden oder beim „Widerstand“ Protest-Plakate basteln, geht es bei diesem Projekt von Marieluisa Lenglacher, Johanna Preissler, Carina Riedel und Elisabeth Smejkal – als Teil der Common Ground Group ums Flechten eines Teppichs.
Seit 2022 entsteht in gemeinsamer Arbeit vieler Menschen ein großer Teppich und jede Person, die mitmacht hinterlässt mit einem geflochtenen Zopf eine Spur von sich selbst darin. In einer großen Box stehen Stoffreste bereit. Einfach einen Lieblingsstoff aussuchen und zu Flechten beginnen, am besten miteinander. So kann man während dessen Gespräche führen, sich austauschen, andere Menschen kennenlernen. Der Common Ground wächst mit diesen Flecht-Sessions, bisher gab es immerhin mehr als 30 Sessions mit über 500 TeilnehmerInnen.
In den Soho-Studios kann man zu jeder Öffnungszeit seinen Zopf flechten und der Gruppe hinterlassen. Es sind allerdings auch drei Session-Termine mit wechselnden Special-Guests geplant: Samstag, 16.11.2024 von 15:30 bis 17:30 Uhr mit dem Special Guest Verein „Ehe ohne Grenzen“, am Samstag, den 23.11.2024 von 15:30 bis 17:30 mit der Künstlerin Ursula Gaisbauer und am Sonntag, den 1.12.2024 mit Special Guest Susana Ojeda und mitwirkenden KünstlerInnen – wieder von 15:30 bis 17:30 Uhr.
Es gibt also einiges zu entdecken. Im Rahmenprogramm finden sich auch noch jede Menge anderer Angebote und Führungen durch die Ausstellung. Weitere Informationen findet ihr unter www.sohostudios.at. Schaut mal rein, es ist einiges Interessantes dabei.
Die Ausstellung ist vom 8.11.-1.12.2024, jeweils von Mittwoch bis Sonntag, von 15:00 bis 20:00 Uhr bei freiem Eintritt geöffnet.
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