Sie galten als die Wiener Bohème – die Mitglieder der Hagengesellschaft, deren Werke die Albertina bis 12.10.2025 in einer Ausstellung zeigt.
Kennt ihr das, wenn man lächelnd von einem Werk zum anderen in einer Ausstellung geht – und in viele grinsende Gesichter der anderen Besucher schaut.

So ist es mir zumindest beim Besuch der neuen Ausstellung in der Albertina gegangen. Doch wer war diese Hagengesellschaft eigentlich?
Die Hagengesellschaft
Die Secession ist weltberühmt und auch den Hagenbund werden viele kennen, aber habt ihr schon einmal von der Hagengesellschaft gehört?

Sie gilt als die Wegbereiterin von Secession und Hagenbund und damit auch als Toröffner zur moderne – und doch ist heute – nur wenig über die Gruppe bekannt. Vielleicht liegt es ja daran, dass es gar keine „offizielle“ Vereinigung war, mit Statuten und Regeln, sondern einfach eine Gruppe von Menschen, darunter viele Künstler, aber nicht nur, die sich regelmäßig im Café Sperl und im Blauen Freihaus traf.
Dessen Wirt Josef Haagen sollte Namensgeber der „Vereinigung“ werden.

Direktor Dr. Gleis erzählt uns kurz über die Hagengesellschaft:
Vierzehn Mitglieder aus der Gruppe zählten zu den Gründern der Wiener Secession 1897, viele weitere formierten 1900 den Hagebund.
Die Hagengesellschaft und die Albertina
Die Cafés in Wien waren nicht nur die Heimat und das zweite Wohnzimmer für Literaten und Schriftsteller, auch Maler, Schauspieler und Musiker trafen sich hier regelmäßig. Für die Mitglieder der Hagengesellschaft, der auch Architekten, Komponisten, Journalisten, Forscher und Beamte angehörten, war das Café Sperl ein zentrale Treffpunkt.

Hier wurde Kaffee und manchmal auch ein Schnapserl getrunken, Kipferln gegessen, aber auch gezeichnet: spontane Skizzen, Porträts, Karikaturen, Scherzbilder und groteske Alltagsszenen.

Anfänglich direkt auf einen großen Marmortisch im Café Sperl, was zur Folge hatte, dass all diese Werke abends vom Kellner wieder weggewischt wurden.

Erst 1888 brachte der Maler Ernst Stöhr Papier und Stifte mit, sodass die Zeichnungen gesammelt werden konnten und in einer Mappe im Café aufbewahrt wurden.

800 dieser Blätter – Momentaufnahmen aus dem Leben der Künstler, die sie beim Zeitungslesen, Diskutieren oder in stiller Beobachtung zeigen, wurden später der Albertina geschenkt.

Dabei sind auch etliche Blätter ihrer Zeichenwettbewerbe, die immer unter einem bestimmten Motto stattfanden und zu dem in 20 Minuten Skizzen angefertigt werden mussten. Anschließend nahm die Jury aus Mitgliedern der Gesellschaft die Prämierung vor und übergab den Siegern die Preise: Kaffee, Kipferl oder Schnaps.

Der Verein hatte keine Statuten, es war einfach eine Gemeinschaft Gleichgesinnter, die freundschaftlich miteinander verbunden waren, ähnlichen Humor hatten und sich gegenseitig inspirierten. Rund fünfzig Mitglieder trafen sich regelmäßig, andere stießen sporadisch dazu, manche waren auch familiär oder verwandtschaftlich miteinander verbunden.

Wie groß der Einfluss auf die Wiener Kunstgeschichte war, zeigt sich auch in der 1898 gegründeten Zeitung Ver Sacrum, dem Organ der Secession, wo zahlreiche Zeichnungen aus den Mappen der Hagengesellschaft erschienen (immerhin über 50 Werke).

Die Gründung der Secession führte anfänglich zu Unstimmigkeiten zwischen den Mitgliedern. Die Aufnahme in die neue Künstlervereinigung musste von deren Komitee einstimmig erfolgen und dies verhinderte bei einigen Mitgliedern der Hagengesellschaft die Aufnahme. Als sich jedoch 1900 der Hagenbund gründete, fand man wieder zueinander und die beiden neuen Vereinigungen verband eine enge, bis heute spürbare Verbindung zur offenen, humorvollen Haltung der Hagengesellschaft, sodass man sich auch weiterhin und bis ins hohe Alter regelmäßig traf.

Hier gibt die Kuratorin der Ausstellung, Elisabeth Dutz, ein kurze Beschreibung, was euch in den einzelnen Räumen erwartet:
Und genau dieser Humor zieht sich durch die Ausstellung, bei der erstmals 137 Blätter der 800 Zeichnungen großen Sammlung ausgestellt werden.
Man geht schmunzelnd von einem Blatt zum nächsten, freut sich über die Karikaturen, staunt über die kreativen Umsetzungen zu den verschiedenen Themen der Wettbewerbe und kann sich sehr gut vorstellen, wie es dann im Café zugegangen sein musste. Herrlich die Skizzen, mit denen sich die Mitglieder wahrscheinlich gegenseitig „gehäkelt“ haben.

Ebenso herrlich, wie sie einzelne Charakterzüge ihrer Kollegen in die Umsetzung der Skizzen einfließen ließen. Typisch Wiener Humor von seiner besten Seite: ein bisschen schwarz, ein bisschen bissig, übertreibend und doch merkt man den Respekt und die Anerkennung, die die Mitglieder sich gegenseitig entgegenbrachten.

Wenn man dann noch vor den Entwürfen für die Zeitschrift Ver Sacrum steht, kann man erkennen, welchen Einfluss die Mitglieder auf die Strömungen des modernen Wiens hatten. Manche lassen den Jugendstil deutlich erkennen.

Doch auch andere Stilrichtungen – die Wiener Straßenszene von Maximilian Lenz hätte ich nach Paris und den Impressionisten zugeordnet, wobei sich Friedrich König mit seinen Farbenscherzen genau über diese Gruppe wieder lustig machte.

Aber am besten ihr schaut euch das selbst an. Man hat in Zeiten wie diesen sowieso wenig zu lächeln, da kommt eine solche Ausstellung gerade recht.
Die Albertina ist täglich von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet, am Mittwoch und am Freitag von 10:00 bis 21:00 Uhr. Zur Ausstellung und den Forschungsergebnissen über die Hagengesellschaft ist auch ein Katalog erschienen, der im Albertina Shop erhältlich ist.
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