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Die neue Sonderausstellung der Reihe WMW Contemporary verbindet die Sammlungen des Weltmuseums mit der modernen Textilkunst in Mexiko.

Die neue Reihe der MWM Contemporary beginnt mir als Besucher so richtig Spaß zu machen. Sie fördert ungemein die Lust, die Sammlungen des Museums wieder zu besuchen, aus einem neuen Blickwinkel zu sehen und beweist, dass Museum lebendig ist und nicht verstaubt.

Fidencia Pérez Hernández webt ein Motiv, das das Universum symbolisiert, auf dem mit Flechten gefärbten Webstuhl (Foto © Carlos Barrera Reyes)
Fidencia Pérez Hernández webt ein Motiv, das das Universum symbolisiert, auf dem mit Flechten gefärbten Webstuhl (Foto © Carlos Barrera Reyes)

Es sind drei Räume, in denen wir von Carlos Barrera Reyes in die Textilkunst ins Mexiko der Gegenwart, aber auch mit einem Blick in die Vergangenheit und die Tradition geführt werden. Wer das Glück hat, ihn kennenzulernen und dabei zu sein, wenn er über sein Projekt erzählt, wird einfach von seiner Begeisterung mitgerissen.

Carlos Barrera Reyes

Carlos Barrera Reyes ist Kurator, Forscher, Künstler und Vermittler und unterrichtet auch in der Universität in Mexico Stadt. Bereits 2008 hat er ein Projekt mit Werber*innen und Färber*innen in (inzwischen) dreißig indigenen Gemeinschaften in Oaxaca und Chiapas in Mexiko initiiert, in dem in gemeinschaftlich organisierten Workshops traditionelle Techniken wiederbelebt, neuen Methoden entwickelt und der kreative Austausch zwischen Kunst, Handwerk, Ökologie und Wissenschaft gestärkt wird.

Carlos Barrera Reyes erzählt uns mehr über das Färben und sein Projekt
Carlos Barrera Reyes erzählt uns mehr über sein Projekt, das Färben und die Herstellung der Huipils

Ihm ging es dabei nicht (nur) um die Möglichkeit andere zu repräsentieren, sondern gemeinsam mit ihnen einen Weg zu gehen, um Gespräche, gemeinsames Ausprobieren, Wiederentdecken, gemeinsames Scheitern und Entdecken. Nicht das Kunstwerk stand im Mittelpunkt, sondern sein Entstehungsprozess.

Der Huipil

Die Herstellung eines Huipils (ein traditionelles Kleid oder Bluse) beginnt mir der Auswahl und Färben der Fäden – traditionell werden die Farbstoffe aus Pflanzen, Insekten und Mineralien gewonnen, die in der unmittelbaren Umgebung der Werber*innen zu finden sind.

Wunderschön: Mit Indigo gefärbte Baumwolle (Foto © Carlos Barrera Reyes)
Wunderschön: Mit Indigo gefärbte Baumwolle (Foto © Carlos Barrera Reyes)

Dieses Wissen wurde allerdings im 20. Jahrhundert zunehmend verdrängt, industriell gefärbte Garne waren billiger und leichter zu bekommen und dominierten den Markt. Doch seit den 1990er Jahren erlebt das Färben mit Naturstoffen wieder eine Renaissance.

Muster mit Bedeutung mit superdünnen Faden gewebt
Muster mit Bedeutung mit superdünnen Faden gewebt

Raum 1: Die Webkunst – Materialien und Technik

Und dennoch bin ich gleich im ersten Raum, der sich mit den Materialien und der Technik der Webkunst beschäftigt, gerade von den Objekten fasziniert. Hier steht das handwerkliche Können im Mittelpunkt, aber auch die Porträts der Weber*innen. Videoporträts dokumentieren Herkunft, Herstellung und die Bildsprache der Gewebe.

Färben von Baumwolle mit Caracoles Púrpuras / Purpurschnecken (Plicopurpura pansa), 2021. Foto © Carlos Barrera Reyes
Färben von Baumwolle mit Caracoles Púrpuras / Purpurschnecken (Plicopurpura pansa). 2021.
Foto © Carlos Barrera Reyes

Es sind wunderschöne Muster zu sehen, die jedoch nicht einfach kreative Ideen darstellen, sondern eine weitreiche Bedeutung haben können. Außerdem faszinieren mich von Anfang an die Farben der Stoffe, nahezu unglaublich, dass die Fäden mit rein natürlichen Materialien gefärbten wurden – von Pflanzen über Tiere bis zu Schlamm.

Links: Mit Schlamm gefärbt
Links: Mit Schlamm gefärbt

Raum 2: Der zeremonielle Huipil – Tradition und Identität

Im zweiten Raum werden dann zeremonielle Huipiles präsentiert. Diese festlichen Gewänder (der Name kommt aus der Sprache Nahuatl) werden von Frauen zu besonderen Anlässen getragen: zu Taufen, Hochzeiten oder Begräbnissen.

Blick in die Ausstellung zu den traditionellen Huipils
Blick in die Ausstellung zu den traditionellen Huipils

Aber sie sind weit mehr als nur ein Kleidungsstück: Sie verkörpern kulturelle Identität, soziale Zugehörigkeit und spirituelle Bedeutung. Durch ihr Design und ihre Muster erzählen sie von ihrer Umwelt, der geschichtlichen Bedeutung, vom Glauben und der kulturellen Erzähltraditionen ihrer Schöpfer.

Blick zu den traditionellen Huipils
Blick zu den traditionellen Huipils

So wird in manchen Gemeinden jedes Jahr ein Huipil eigens für die Einkleidung einer Marienstatue gewebt. Auch bei Karnevalsfeiern und bei Volkskunstwettbewerben werden sie oft auch von Männern getragen und sind ein unverzichtbarer Bestandteil.

Blick in den Raum mit den traditionellen Huipils
Blick in den Raum mit den traditionellen Huipils

Hier sieht man die Vielfalt in der Umsetzung der Gewänder. Oft in drei Bahnen gewebt und dann miteinander verbunden, verschiedene Muster, Stickereien, mit Federn verziert.

Raum 3: Der moderne Huipil – Mode uns soziale Medien

Der dritte Raum beschäftigt sich mit der modernen Umsetzung der Huipil, der Mode und den sozialen Medien. Während mir der Huipil mit den Blumenmustern fast zu kommerziell erscheint, verliebe ich mich auf der Stelle in eine andere, rein grafische Umsetzung der Muster. Modern und klassisch zugleich, wunderbare Farben.

Der "Blumen-Huipil" ist mir fast schon zu modisch
Der "Blumen-Huipil" war mir fast schon zu modisch

In diesem Raum geht es aber um die Rolle, die Mode, modernes Design und soziale Medien für die Verbreitung indigener Textilkunst spielen. Carlos Barrera Reyes erzählt uns, dass viele Weber*innen zu erfolgreichen Unternehmer*innen entwickelt haben, die auf Instagram vertreten sind und dort auch ihre Arbeiten präsentieren und über moderne Plattformen verkaufen.

Wunderschön klar und modern
Wunderschön klar und modern die Muster auf dem rechten Huipil

Sie verbinden in ihren Werken Tradition und Innovation zu einer lebendigen kulturellen Praxis und sind Ausdruck eines kulturellen Selbstbewusstseins, dass sich an veränderte Märkte und neue Zielgruppen anpasst.

Ein Video über die Entstehung des Projekts
Ein Video über die Entstehung des Projekts

Das Video in diesem Raum dokumentiert die Entstehung des Projekts und zeigt die Menschen hinter den Textilien mit ihren Geschichten, ihrem Können und ihren Visionen.

In den Videos kann man sich genauer über das Projekt, die Herstellung und die Weber*Innen informieren
Mit den Videos kann man sich genauer über das Projekt, die Herstellung und die Weber*innen informieren

Zuhause angekommen bin ich gleich auf die Suche gegangen und auch fündig geworden. Sowohl auf Instagram : https://www.instagram.com/huipiles_de_mexico/ und von dort weiter zur Website: https://huipilesdemexico.site123.me/
Manchmal haben soziale Medien und Internet ja doch etwas Gutes …

Workshop zu natürlichen Farbstoffen mit dem Kollektiv Llana Huaricnn in San Andrés Chicahuaxtla, Oaxaca, 2019 (Foto © Carlos Barrera Reyes)
Workshop zu natürlichen Farbstoffen mit dem Kollektiv Llana Huaricnn in San Andrés Chicahuaxtla, Oaxaca, 2019 (Foto © Carlos Barrera Reyes)

Zur Ausstellung gibt es ein interessantes Rahmenprogramm, das von Führungen über Workshops zum Färben mit frischen Pflanzen, Weben oder der Gestaltung von Seidentüchern einiges bietet und laufend ergänzt wird. Weitere Infos findet ihr unter https://www.weltmuseumwien.at/ausstellungen/die-farben-der-erde/#rahmenprogramm

Das Weltmuseum Wien ist täglich (außer Montag) von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. Am Dienstag von 10:00 bis 21:00 Uhr.


Die Farben der Erde
22.10.2025 – 6.4.2026
Weltmuseum Wien
1010 Wien
Neue Hofburg, Heldenplatz
+43 1 534 30-5052
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