Der Augustin feiert seinen 30. Geburtstag und ich war zum ersten Mal im Wien Museum, um bei der kleinen, feinen Ausstellung mitzufeiern.
Er war die erste Straßenzeitung in Wien und auch heute noch sieht man die Augustin-VerkäuferInnen an vielen Stellen in Wien. Premiere für den Augustin, der ersten „österreichischen Boulevardzeitung“ war im Oktober 1995. Die Idee dahinter war nicht nur armutsgefährdeten Menschen ein Einkommen zu ermöglichen, sondern ihnen auch eine Stimme zu geben.

Der dahinterstehende Verein sorgt bis heute noch für öffentlichkeitswirksame Aktionen wie den Opferball, eine Gegenveranstaltung zum Opernball und er bietet „seinen“ VerkäuferInnen auch Beratung und Hilfe an. SozialarbeiterInnen unterstützen die VerkäuferInnen tagtäglich bei ihren Problemen mit den Behörden, aber sie organisieren auch Fußball- und Tischtennisturniere oder helfen ihren Schützlingen bei alltäglichen Dingen, wie eine passende Brille zu bekommen.

Diese Zeitung ist aber noch viel mehr – sie ist ein Stück Geschichte von Wien. Von den 627 Titelseiten, die seit seinem ersten Erscheinen gedruckt wurden, sind ungefähr die Hälfte auf einer Wand affichiert und mit einem Zeitstrahl versehen. Ich habe viele bekannte Gesichter auf den Titelblättern gesehen, viele Themen, die in Vergessenheit geraten sind, aber noch immer aktuell sind, vieles was sich seit dem Erscheinen geändert hat.

In der Ausstellung kann man auch den ersten Augustin (mit Steffi Werger am Cover) sehen, einen Blick in das Archiv machen und eine Zeitung durchblättern. Erstaunlich, wie dabei die Erinnerungen zurückkommen. Außerdem gibt es noch Interviews mit VerkäuferInnen, die von ihrem Alltag erzählen.

Zwei Ziele des Augustin sind bis heute gleich: Menschen, die von Armut betroffen sind, können selbständig Geld verdienen und mit dem Augustin gibt es eine unabhängige Zeitung, die laut Kritik an den Mächtigen übt.

Alle, die möchten, dürfen Augustin-VerkäuferInnen werden. Sie brauchen keine Arbeitsgenehmigung, denn ihr Verdienst zählt nach österreichischem Recht als „therapeutisches Taschengeld“.

Zuerst muss allerdings eine Einschulung gemacht werden, in der in ihrer Muttersprache vermittelt wird, wie und wo verkauft werden darf – und dass der Augustin für Gleichberechtigung unabhängig von Herkunft, Geschlecht, sexueller Orientierung, Religion, Alter und Behinderung steht. Dann erst gibt es den Ausweis, den man ebenfalls in der Ausstellung sehen kann.

Die VerkäuferInnen dürfen sich ihren „Verkaufsplatz“ aussuchen: allerdings unter der Bedingung, dass dort noch niemand anderes den Augustin anbietet. Sollte es zu Konflikten am Standort kommen (sei es durch Polizeikontrollen oder z.B. eine neue Filialleitung im Supermarkt) begleiten SozialarbeiterInnen die VerkäuferInnen und versuchen zu vermitteln.

Es ist traurig zu hören, dass es noch immer Vorurteile gegen die Augustin-VerkäuferInnen gibt, ja das es sogar Fälle gibt, in denen VerkäuferInnen öffentlich beschimpft oder sexistisch und rassistisch angegriffen werden.

Leider scheint der Rückgang der gedruckten Zeitungen und Zeitschriften auch vor dem Augustin nicht Halt zu machen. Für drei Euro gibt es die Zeitung im Moment (1,50 Euro gehören vom Verkaufspreis dem/der VerkäuferIn). Es ist also kein leichtes Los, die Zeitung an den Mann/an die Frau zu bringen.

Dennoch ist es oft die einzige Möglichkeit, für Menschen die (noch) keine Arbeitserlaubnis bekommen. Außerdem so meinte Viano, dessen Interview man sich auch in der Ausstellung anschauen kann:
„Ich versuche, die Menschen zu beglücken, ihnen ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern. Das Wichtigste ist der Blickkontakt und auf die Leute zugehen.“
Also meine Lieben: Lächelt und kauft regelmäßig einen Augustin!

Übrigens: Man kann den Augustin nun auch bargeldlos bezahlen. Auf den Ausweisen der VerkäuferInnen befindet sich ein QR-Code über den man die Bezahlung abwickeln kann. Kein Kleingeld mehr notwendig! 😊
Das Wien Museum ist Dienstag, Mittwoch und Freitag von 9:00 bis 18:00 Uhr, Donnerstag von 9:00 bis 21:00 Uhr und Samstag, Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet. (Übrigens: es lohnt auch ein Besuch der Dauerausstellung über die Geschichte Wiens – dazu ein anderes Mal)

Zur Ausstellung wird auch ein Rahmenprogramm angeboten:
2.10.2025 von 17:30 – 20.00 Uhr: Augustin Geschichtenwerkstatt – Atelier am Donnerstag
7., 14. und 17.10., 4.11.2025: Führungen. Eine Augustin-Verkäuferin und eine Kuratorin führen durch die Ausstellung
29. und 30.10.2025: Zine-Workshop
26.9.2025 um 16:00 Uhr und 10.10.2025 um 14:00 Uhr Stadterkundigungen: Drei Verkäufer*innen führen durch die Stadt, aus einer Perspektive von Armutsbetroffenen
Hier findet ihr noch einen Bericht von W24 über die Ausstellung: https://www.w24.at/News/2025/9/Augustin-Mehr-als-eine-Zeitung
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