Keine Angst – es geht nicht nur um Corona. Aber auch. Am Deck 50 kann man jetzt einiges über Viren erfahren und dem Corona-Virus so richtig in die „Spikes“ blicken.
Nicht nur wegen der Corona-Pandemie sind Viren in aller Munde. Aber was sind sie eigentlich? Gibt es gute und schlechte? Was machen sie? Wie entstehen sie? Seit wann gibt es sie und haben vielleicht Menschen und Viren etwas gemeinsam? Wie kann die Virenforschung helfen Therapien gegen Krebs zu entwickeln und hat der Verlust der Artenvielfalt mit dem Entstehen von neuen, gefährlichen Krankheiten zu tun?
Diese Fragen und noch einige mehr will die neue Wissensstation im Naturhistorischen Museum auf Deck 50 beantworten.
Ich liebe dieses Deck 50 ja ganz besonders wegen der Dino-Show, die sowohl meinen Enkel wie auch mich immer wieder begeistert. Aber auch alle anderen Aktivitäten – wie eben auch die unterschiedlichen „Mitmach-Stationen“ erfreuen interessierte Forscher jeden Alters …
Wenn man nun das Deck 50 betritt, sticht sofort das überdimensionale Originalmodell des SARS CoV-2-Virus mit seinen Spikes ins Auge. Um einen kleinen Größenvergleich zu wagen: würde ein Mensch genauso stark vergrößert werden wie dieses Virusmodell, wäre er größer als der Planet Erde!
Nachdem man also das Modell besichtigt hat, kann man seine Emotionen, sei es Wut oder Enttäuschung oder Bewunderung bei zwei Mikrophonen zum Ausdruck bringen und auch gleich eine Rückkoppelung über die Reaktion anderer Besucher bekommen.
Richtig interessant wird es aber bei den beiden anderen Touchscreens. Hier kann man nicht nur vieles über die Viren lesen, sondern auch den Experten der jeweiligen Bereiche zuhören, die verschiedene Bereiche der Viren erklären – und auch sagen, was alles noch erforscht werden muss.
Es ist zumindest noch nicht schlüssig erklärt, woher Viren kommen, seit wann es sie auf der Erde gibt, und wie sie mit Bakterien und anderen Einzellern verwandt sind. Man weiß nicht, ob Viren Überbleibsel einer früheren Welt sind, in der es noch keine DANN gab oder ob sie von echten Zellen abstammen, deren DANN sich verselbständigt hat. Sicher ist aber, dass es sie schon seit Milliarden von Jahren auf der Erde gibt.
Man erfährt auch, dass Viren das Leben auf der Erde stark mitgeprägt haben und dies noch immer tun. Viren kann man sich als „Speicher“ des Lebens vorstellen, ähnlich wie Daten, die auf DVDs oder USB-Sticks gespeichert sind. Sobald das Genmaterial in einer Zelle ausgepackt wird, erwacht es zum Leben – wie ein Computerprogramm, nachdem man einen USB-Stick eingesteckt hat.
Viren kann man auch als Grundlage des Lebens bezeichnen, sie sind um ein Vielfaches kleiner als Bakterien, aber auch viel zahlreicher als diese. Da sie ihre Erbsubstanz im Laufe der Evolution immer wieder in andere lebendige Organismen geschleust haben, sind sie auch an der Entwicklung der Artenvielfalt beteiligt. Viren-DNA bringt immer wieder neue Elemente in das Erbgut von Pflanzen, Tieren und Menschen und sorgt so für genetische Vielfalt. Auch in der menschlichen DNA steckt sehr viel Viren DNA – immerhin macht sie rund 60% unserer gesamten DNA-Masse aus. Diese Tatsache habe ich unter einigen anderen „neuen Erkenntnissen“ zum Bespiel nicht gewusst.
Eigentlich sind die winzigen Viren „einfachste“ Parasiten, die nur aus einem in Eiweiß verpackten Gen-Programm bestehen. Bakterien, andere Einzeller, Hefepilze, aber auch Würmer, Insekten, Zecken, Fische, Vögel und sogar manche Säugetiere leben in, auf und von anderen Lebewesen, schädigen sie dabei und können ebenfalls als Parasiten bezeichnet werden. Sie nutzen ihren Wirt aus, machen seine Zellen kaputt, bringen ihm aber keinen Vorteil, allerdings brauchen sie ihn zum Leben. Stirbt der Wirt, sterben auch sie bzw. können sie sich nicht mehr vermehren und weiterverbreiten. Der Zoologe Christoph Hörweg erzählt in der neuen Station als Avatar einiges über dieses Thema.
Wer mehr über die „Spikes“ des Virusmodell erfahren möchte, bzw. wie sie sich an eine Zelle andocken können, wie das Virus versucht unser Immunsystem auszutricksen und daher immer neue Varianten erfindet, indem es seine Erbsubstanz verändert und die Spikes immer wieder umformt, damit es die Antikörper nicht so leicht erkennen können, erklärt Molekularbiologe Ulrich Elling in einem Video. Er hat während der Pandemie intensiv an den neuen Varianten geforscht und immer wieder neue Veränderungen entdeckt.
Zellbiologin Karin Macfelda erklärt, was bei einer Viren-Infektion im Körper passiert, aber auch wie die Medizin der Zukunft, besonders bei Krebserkrankungen aussehen kann. Denn die sogenannten „Genschere“, die zur Krebsbekämpfung eingesetzt werden könnte, hat indirekt auch mit Viren zu tun: Bakterien können die Viren-DNA aus ihrem Erbgut wieder herausschneiden.
Anthropologin Sabine Eggers wiederum erklärt wie es zu einer „Zoonose“ kommen kann: Dabei verändert ein Virus, das in einem Tier lebt durch Zufall sein Erbgut und formt damit einen neuen „Schlüssel“ auf der Virusoberfläche, dem es dann manchmal gelingen kann, menschliche Zellen zu befallen. Unsere sesshafte Lebensweise nah beieinander, vielleicht auch noch mit vielen Tieren, macht es den Parasiten leichter, neue Wirte zu finden.
Und manchmal bringen wir auch bestimmte Tiere und deren „Bewohner“ im Gepäck von unseren Reisen mit nach Hause.
Und auch wenn es viele vielleicht nicht mehr hören können, der Klimawandel wird auch zur Entstehung neuer Krankheiten beitragen, da durch den Menschen immer wieder Tiere in Gebiete verdrängt werden, in denen sie nicht natürlich vorkommen. Oder ihre Lebensräume werden zerstört, sodass sie in andere Gebiete ausweichen, um nicht auszusterben. Erderwärmung und die Veränderung von Meeresströmungen führen dazu, dass sich Arten in neuen Lebensräumen ansiedeln und dadurch neue Krankheitserreger mitbringen können. NHM-Generaldirektorin Katrin Vohland erklärt daher, wie Umwelt, Tier- und Menschengesundheit zusammenhängen.
Die neue Wissenschaftsstation geht daher nicht nur auf das Corona-Virus ein, sondern zeichnet ein allgemein gültiges Bild über Viren und die unterschiedlichen Forschungsansätze zu dem Thema. Ich hoffe wirklich, dass diese Station im NHM als Puzzlestein helfen kann, wieder zu einer eher wissenschaftlichen Diskussion über Corona, Impfung, Viren, Klima und vieles mehr zurückzukommen. Auch wenn sie dazu genutzt werden kann, seine gesamte Wut über die Pandemie herauszuschreien – vielleicht hilft das ja auch …
Für Kinder ab 8 Jahren wird auch ein interessantes Rahmenprogramm mit dem Club Vielfalt und der Kinderuni geboten. Mehr darüber findet ihr auf der Website des NHM. Eine Anmeldung ist erforderlich.
Das Naturhistorische Museum Wien ist von Donnerstag bis Montag von 9:00 bis 18:00 Uhr, am Mittwoch von 9:00 bis 20:00 Uhr geöffnet. Am Dienstag ist das Museum außer an Feiertagen geschlossen.
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