Es gibt gleich zwei Gründe, diese Ausstellung zu besuchen: das Geymüllerschlössel und Flora Miranda.
Ich habe es ja nicht so unbedingt mit Fashion und Lifestyle – mit genügen meistens meine Jeans und ein T-Shirt. Aber die Kleider von Flora Miranda sind absolut sehenswert und man sollte sich auch für ihre Überlegungen dahinter interessieren.
Und das Geymüllerschlössel ist einen Besuch ebenfalls wert…
Flora Miranda
Flora Miranda, wurde 1990 in eine KünsterInnenfamilie in Salzburg hineingeboren. Bereits früh interessierte sie sich für Mode und Kunst, studierte nach der Matura an der Modeakademie in Antwerpen (unter anderem bei Walter Van Beirendonck) und gewann bereits während ihres Studiums die ersten Preise.
2014 wurde sie zur Haute-Couture Show von Christan Dior eingeladen, arbeitete nach dem Abschluss ihres Studiums zuerst für die niederländische Designerin Iris Van Herpen und gründete Dann ihr eigenes Label Flora Miranda. Seit 2018 präsentiert sie ihre Kollektionen zweimal jährlich auf der Paris Haute Couture Week.
Flora Miranda beschäftigt sich aber immer wieder mit fotorealistischer Malerei, entwirft auch für die Bühne, arbeitete mit der Schweizer Uhrenfirma Rado zusammen und beschäftigt sich in letzter Zeit sehr mit Technik, KI und deren Einfluss auf die Modewelt, das Design und den Menschen generell.
In der Ausstellung kann man nun Modelle aus verschiedenen Schaffensperioden sehen und – um es gleich vorwegzunehmen – ich war eigentlich von fast allen hellauf begeistert.
Natürlich sind die meisten vorgestellten Kleider nicht im „Alltagsgebrauch“ tragbar, aber sie alle sind Kunstwerke mit Botschaft – und einige „tragbare“ Modelle sind auch noch dabei.
Gleich zu Beginn erwartet den Besucher das Kim Kardashian Dress, mit dem Flora Miranda sich kritisch mit der von InfluencerInnen propagierten, durch medizinische Eingriffe optimierten Sanduhr-Silhouette auseinandersetzt.
Im ersten Stock finden wir das Kleid Cracked Screen aus der Cyber Crack-Kollektion von 2020, das die Brüche in der Realität verdeutlicht und mit der Struktur an eine gebrochene Fläche eines Handys erinnert.
Das Crinkle Dress, das in Zusammenarbeit mit der Künstlerin Ester Stocker entstand, stammt ebenfalls aus der Cyber Crack-Kollektion. Das Grid, die Gitterstruktur soll auch als Metapher für die Vernetzung des Internets stehen und eine Art Camouflage bzw. Unsichtbarkeit ermöglichen, die nicht zuletzt durch das Verdecken des Gesichts erreicht wird.
Interessant ist auch das Time To Tech Up Dress (2020), das mit seinen sechs wechselbaren Panels weibliche Tech-Heldinnen wie auf den Covers eines fiktiven Magazins visualisiert.
Wunderschön ist auch ihr Selbstporträt, das mit Silikon auf Netzgrund bemalte Tuch Memories Painting aus der Kollektion Hyperreal von 2021, das ihre Faszination für bildende Kunst zeigt.
Meine Highlights sind allerdings die fünf Kleider, die man auf dem Podest vereint hat und die dem Besucher sofort ins Auge stechen, wenn man den Raum betritt. Die Materialien sind ungewöhnlich, und trotzdem scheinen die Kleider ungewöhnlich tragbar. Es sind hyperfeminine Kleidungsstücke, die die Weiblichkeit betonen, aber auch überhöhen, ihre Wichtigkeit in Frage stellen. Vor allem sind sie aber eins: wunderschön anzuschauen. Jedes dieser Kleidungsstücke ist handgemacht und man erahnt, wie viele Arbeit in einem einzelnen steckt.
Außerdem gibt es noch zwei Videoinstallationen, die von weiteren Projekten der Künstlerin erzählen.
Wer mehr über Flora Miranda und ihr Schaffen erfahren möchte, sollte sich ihr 2023 erschienenen Buch I Am Digital besorgen, das einen Querschnitt durch ihr Schaffen zeigt und damit auch die Looks, die in der Ausstellung im Geymüllerschlössel zu sehen sind, vorstellt. Hauptthema ist Mode-bezogene Identitätskonstruktion im digitalen Zeitalter. Flora Mirandas technologieaffinen Haut Couture-Kreationen und visionären Ideen für KI-generierte Kleidung wird dabei anhand von Texten der Designerin und von KollaborationspartnerInnen wie dem Musikproduzenten und DJ Alec Empire sowie durch Bildmaterial internationaler FotografInnen vermittelt.
Das Geymüllerschlössel
Auch die Location sollte aber die Beachtung erfahren, die es verdient. Das 1808 vom Bankier Johann Jakob Geymüller errichtete „Schlössel“ vereint die unterschiedlichsten Stile – gotisch, indisch und arabisch – zu einem kunstvollen Ganzen, genauso wie es dem damaligen Zeitgeist entsprach. Sehenswert ist nicht nur die originalgetreue Innenausstattung aus der Biedermeierzeit, sondern auch die einzigartige Sammlung historischer Uhren, die im Gebäude ausgestellt ist.
Zusammen mit den ausgestellten Werken zeitgenössischer Kunst ergibt sich eine ganz besondere Atmosphäre. Nehmt euch also Zeit, bewundert die wunderschönen Modelle von Flora Miranda und das Interieur des Geymüllerschlössel.
Die Ausstellung (Con)Temporary Fashion Showcase: Flora Miranda läuft bis zum 3.12.2023. Das Geymüllerschlössel ist jeweils Samstag und Sonntag von 10:00 bis 18:00 Uhr geöffnet.
(Con)Temorary Fashion Showcase ist der Abschluss dieser Saison im Geymüllerschlössel. Leider habe ich - warum auch immer – diese Reihe erst jetzt entdeckt – ich hoffe aber auf eine Fortsetzung im nächsten Jahr. Da bin ich auf jeden Fall dann gerne wieder dabei …
Ich empfehle öffentlich anzureisen, die Straßenbahnlinie 41 (ab Ringstraße Schottentor) bringt die Besucher nach einer Fahrt durch den Westen Wiens fast direkt vor die „Haustür“.
Lasst euch einige Highlights von der Künstlerin erklären: