Jedem Kunstinteressierten ist wohl Egon Schiele bekannt. Viele Ausstellungen mit seinen Werken erinnern immer wieder an das berühmte Tullner Genie und viele Museen rühmen sich dem Besitz seiner Werke – doch ein Museum ist besonders.
In Tulln, im ehemaligen Stadtgefängnis, kann man Egon Schiele nicht nur über seine Werke, sondern ganz „privat“ erleben und in der kleinen Schatzkammer wartet jedes Jahr eine wechselnde Sonderausstellung mit seinen Werken auf die Besucher.
Ein einzigartiges Museum
Hier in Tulln stehen weniger die Werke des Genies im Mittelpunkt, sondern sein Leben und der Mensch Schiele. Wie war er? Was mochte er? Wen liebte er?
Im Mittelpunkt der Ausstellung des Museums kann man einzigartige Tondokumente hören, die dem Egon Schiele Museum exklusiv in Europa zur Verfügung stellen. Zu hören sind darauf einzigartige Gesprächsaufnahmen von Alessandra Comini, die sie mit Egon Schieles Schwestern Gerti und Melanie und mit seiner Schwägerin Adele Harms führte. Comini reiste in den 1960er Jahren von einer Schiele-Ausstellung in ihrer Heimat Texas inspiriert nach Österreich um sich auf die Spuren des Künstlers zu heften. Neulengbach, Klosterneuburg, Tulln und Krems waren ihre Stationen, um das Leben Egon Schieles nachzuzeichnen, der immerhin elf Jahre seines kurzen Lebens in Tulln verbrachte.
Wenn ihr Tulln und das Egon Schiele Museum besucht, nehmt auf jeden Fall genügend Zeit mit. Es ist wirklich interessant, den Ladies zu lauschen, wenn sie über ihren berühmten Bruder oder über ihren Schwager plaudern.
Die Schatzkammer
So ganz ohne die Werke des Künstlers kommt aber kein Schiele Museum aus. Daher finden sich diese in einer Jahr für Jahr erneuerten Sonderausstellungen in der sogenannten Schatzkammer des Museums wieder. Nachdem das Bundesland Niederösterreich heuer sein 100jähriges Bestehen als eigenständiges Bundesland feiert, wurden im Jubiläumsjahr die Objekte der Landessammlungen in den Mittelpunkt bestellt.
Die Landessammlungen Niederösterreich verfügen über wichtige Werke aus der Frühzeit des Künstlers. So erfolgten bereits die ersten Ankäufe 1955 von Ludwig Karl Strauch, dem Zeichenlehrer Schieles im Gymnasium. Weitere Werke stammen aus dem Besitz von Schieles Schulfreund Hans Massmann, von Schieles Schwester Melanie Schuster-Schiele und anderen, sowie von Schenkungen der Schiele-Forscherin Alessandra Comini, die den Schwestern Egon Schieles freundschaftlich verbunden war.
So findet sich in der diesjährigen Ausstellung nicht nur das Bild „Sonnenblume I“ von 1908, das als erstes Hauptwerk seiner frühen Schaffensperiode gilt. Schiele zeigt hier in einem Bild an einer Sonnenblume die verschiedenen Reifegrade der Blüten, von der knospenden Ausführung bis zur bereits fast verblühten, überreifen Variante. Während die welken Teile den Verfallsprozess symbolisieren weisen die kraftstrotzenden Jungblumen in die Zukunft. In diesem Reifeprozess ist der Betrachter aber auch an sein Leben erinnert – vom Beginn bis zu seinem Ende.
Interessant sind auch die beiden Porträts in der Schatzkammer: Das Bildnis seiner Mutter, mit der Schiele Zeit seines Lebens ein schwieriges Verhältnis hatte und das Porträt seines Onkel, Taufpaten und Vermunds Leopold Czihaczek, den Schiele wahrscheinlich auch für seinen mondänen Lebensstil bewunderte.
Beeindruckend auch die „Boote im Hafen (Triest)“ aus dem Jahr 1908, das bei der Ausstellung „Junge Kunst im Stift“ mit anderen Werken des jungen Schieles im Augustiner-Chorherrenstiftes Klosterneuburg gezeigt wurde und die Aufmerksamkeit des Sammlers Heinrich Benesch erregte.
Veranstaltungen:
Am Dienstag, den 31. Mai 2022 um 15:00 Uhr spricht Kurator Dr. Christian Bauer mit Alessandra Comini im Egon Schiele Museum in Tulln und am Donnerstag, den 2. Juni 2022 findet das Gespräch im Stift Klosterneuburg im Augustinus-Saal um 18:00 Uhr statt.
Ich kann euch nur empfehlen, wenn ihr Zeit und Interesse an Egon Schiele habt, dabei zu sein. Alleine die vielen Infos, die wir bei den Kurzvorstellungen des Museums und der Schatzkammer immer wieder von Christian Bauer erhalten, lassen mich jetzt schon erahnen, dass es wahrlich unterhaltsame und interessante Gespräche sein werden. Christian Bauer kann schon sehr viel über den Künstler und sein Leben erzählen und ich bin schon gespannt, was Alessandra Comini dazu noch einbringen wird.
Schiele Erinnerungen
Außerdem sind eure Erinnerungen gefragt. Sicher gibt es in der niederösterreichischen Bevölkerung noch viele Erinnerungen und Dokumente über Schiele und seine Familie.
Die Recherchen der texanischen Schiele-Forscherin Alessandra Comini markieren mit den Interviews der Schwestern Schiele den Anfang einer Einbindung des Schiele-Umfeld, aber es gibt sicher noch mehr.
Vielleicht erinnert sich wer in eurer Familie noch an die Schielezeit, vielleicht sogar an den Künstler? Wenn ja, dann bittet das Schiele Museum und Christian Bauer mit ihm diese Erinnerungen zu teilen und zwar am Dienstag, den 31. Mai von 13:00 bis 15:00 Uhr im Egon Schiele Museum in Tulln oder am Donnerstag, den 2. Juni 2022 von 16:00 bis 18:00 Uhr im Stift Klosterneuburg. Schiele-Forscherin Alessandra Comini und Schiele-Kurator Christian Bauer freuen sich schon über eure Fundstücke und Geschichten. Vielleicht gibt es ja Fotos, Briefe, Dokumente, Gegenstände, Tagebuchaufzeichnungen, Tonbandmitschnitte oder gar Werke, die in Verbindung zu Egon Schiele stehen. Wenn ja, dann bitte mitbringen.
Bitte den Besucher vorab bei Dr. Christian Bauer (
Die Erkenntnisse dieser Publikumsaktion sollen in zukünftige Ausstellungen im Schiele Museum einfließen.
Das Egon Schiele Museum ist vom 26. März bis 6. November 2022 von Dienstag bis Sonntag und an Feiertagen von 10:00 bis 17:00 Uhr geöffnet. Jeden 2. Und 4. Sonntag im Monat finden um 13:00 Uhr geführte Rundgänge durch das Museum statt.
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