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Im Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich erzählt eine Sonderausstellung bis 2.2.2025 mit 25 Objekten Geschichten über die Flucht. Ausstellung Auf der Flucht (Foto © Museum Betriebs GmbH, Weinfranz)

Auch wenn es manchmal scheint als ob es Hoffnung gäbe und die Menschheit aus ihrer Geschichte lernt, noch immer gibt es weltweit zu viele Kriege, Konflikte, Verfolgungen und unerträgliche Lebensbedingungen. Gerne schieben wir dies weit weg von uns und vergessen dabei, dass auch Bedingungen in Europa dazu geführt hatten und haben, dass Menschen flüchten mussten.

Mühevoll wieder geklebt - zerbrochene chinesische Vasen, die bei der Flucht zurückgelassen wurden
Mühevoll wieder geklebt - zerbrochene chinesische Vasen, die bei der Flucht zurückgelassen wurden

Wenn sich auch politische Rahmenbedingungen, Fluchtrouten und Transportmittel ändern, gewisse Muster wiederholen sich: Menschen müssen ins Unbekannte aufbrechen, haben oft wenig Zeit, sich darauf vorzubereiten und können nur einen Bruchteil von ihrem Besitz mitnehmen. Es ist für viele schwierig zu entscheiden, was mitzunehmen und was zurückgelassen werden muss, vor allem wenn es um Gegenstände mit emotionalem Wert geht. Sollen doch die mitgenommenen Stücke eine Verbindung zur alten Heimat, zum Leben vor der Vertreibung und zu geliebten Menschen herstellen, die man zurücklassen musste.

Erinnerungsmedaillen an die Flucht der Protestanten aus Salzburg im 18. Jahrhundert
Erinnerungsmedaillen an die Flucht der Protestanten aus Salzburg im 18. Jahrhundert

Viele Menschen überleben aber die Flucht nicht, das fehlende legale Einwanderungswege fehlen und die Schutzsuchenden so auf lebensgefährliche Fluchtrouten gezwungen werden. Damit sind sie der Willkür von SchlepperInnen und Behörden ausgesetzt, erleben Misshandlungen und Entführungen. Frauen und Minderjährige werde Opfer von sexualisierter Gewalt. Bilder von brutalen Push-Backs auch in Europa und Ertrunkenen erschüttern zumindest eine Mehrheit von uns (noch?) immer wieder. Tausende überleben die Strapazen der Flucht nicht. Eine Leerstelle in der Ausstellung erinnert an sie und an die Tatsache, dass eine sichere Flucht möglich sein sollte.

Kein Weihnachten ohne Schiller, auch nicht bei der Flucht vor der Roten Armee aus Westungarn 1945
Kein Weihnachten ohne Schiller, auch nicht bei der Flucht vor der Roten Armee aus Westungarn 1945

Es ist keine „schöne“ Ausstellung, die der Unterhaltung dient, doch eine zutiefst notwendige. Wir sind mehr und mehr abgestumpft über die Katastrophenmeldungen – die Aussage: „Wir können eben nicht alle nehmen“ macht sich mehr und mehr auch in den Köpfen der Österreicher breit. Unseren Wohlstand wollen wir nicht teilen, wir wollen in Ruhe gelassen werden.

Das Heimweh bleibt: Ledertasche von Ferenc Rásky auf der Flucht nach der Niederschlagung des Ungarnaufstandes 1956
Das Heimweh bleibt: Ledertasche von Ferenc Rásky auf der Flucht nach der Niederschlagung des Ungarnaufstandes 1956

Diese Einstellung und Fake News, in denen ein „Die bekommen alles geschenkt – wir müssen arbeiten und uns wird etwas weggenommen“ verfestigen sich mehr und mehr. Die Meinung, es ginge den Ankommenden nur um ein besseres Leben macht sich breit.

Andenken einer kurdischen Familie, die aus Syrien flüchten musste
Andenken einer kurdischen Familie, die aus Syrien flüchten musste

Doch verlässt man wirklich sein Land, seine Familie, seine Freunde „für ein paar Dollar mehr.“ Wohl kaum, wenn jedoch der Hunger plagt, sein Leben bedroht wird, man seine Kinder, seine Familie nicht mehr ernähren und beschützen kann, dann macht man sich auf den Weg. Auch viele Österreicher haben in der Vergangenheit diesen Weg bei Kriegen und Hungersnöten gewählt. Darunter um die 160.000 Burgenländer, die in Krisenzeiten das Land verließen, um in den USA, Kanada und Argentinien ein besseres Leben zu finden.

Auch in der Kleidung wird die Erinnerung hoch gehalten
Auch mit der Kleidung wird die Erinnerung hochgehalten

In der Sonderausstellung erzählen 25 Objekte exemplarisch die verschiedenen Schicksale der Menschen, wobei sich der zeitliche Bogen von der biblischen Vertreibung bis in die Gegenwart zieht.

Eine Landkarte illustriert die jeweilige Fluchtroute und anhand des ausgestellten Gegenstands wird die persönliche Fluchtgeschichte greifbar. Nehmt euch Zeit zum Lesen mit.

Ich greife hier nur einige Beispiele heraus, die mich besonders berührt haben.

Multifunktionswerkzeug Handy (Fotoserie von Amins Flucht aus Afghanistan, 2015)

Könnt ihr euch noch an die Fake News erinnern? Jeder Geflüchtete bekommt ein Handy vom Hartlauer? Als dieser dementierte, wurde die Caritas schnell als Ersatz gefunden. Und natürlich wurde behauptet, es wären die neuesten IPhones, die hier verschenkt werden. Skandal!

Bilder einer Flucht - warum ein Smartphone so wichtig ist
Bilder einer Flucht - warum ein Smartphone so wichtig ist

Warum ist ein Smartphone aber wirklich so wichtig für die Geflüchteten? Es ist einfach erklärt: Es ist für sie wahrscheinlich noch unverzichtbarer als für uns im täglichen Leben. Es hilft bei der Navigation und Routenplanung, informiert über das Wetter und die Öffnung oder Schließung von Grenzen. Nachrichtendienste und Übersetzungsprogramme ermöglichen die Kommunikation mit HelferInnen und Behörden. Und es ist eine wichtige Verbindung zu Verwandten, Freunden, zur alten Heimat. Das Telefon wird mit Fotos, Videos, Dokumenten und GPS-Daten zum Logbuch der Erinnerung.

Dies zeigt die Ausstellung anhand der Fotoserie des jungen Afghanen Amin deutlich, der seine Flucht 2015 fotografisch festgehalten hat.

Der lange Arm des Regimes (Reiskocher mit Beschriftung auf Farsi, um 1980)

Shirin studierte bis 2015 im Iran. Ihre Familie leistete wiederholt Widerstand gegen das Regime, - mehrere Verhaftungen durch die Sittenpolizei waren die Folge. Shirin fühlte sich ihres Lebens nicht mehr sicher und beschloss daher nach Europa zu fliehen. Als sie sich auch in Wien an Protesten gegen das iranische Regime ihrer Heimat betätigte, wurde ihre Mutter im Iran bedroht.

Ein Reiskocher aus der alten Heimat
Ein Reiskocher aus der alten Heimat

Erst daraufhin erhielt Shirin Asyl in Österreich. Der gezeigte Reiskocher gehört zur Grundausstattung jedes iranischen Haushalts und kam über viele Umwege aus dem Iran in ihre neue Heimat.

Schlüssel zur Vergangenheit (Hausschlüssel von Selma Hajdarevic, um 1991)

Als sich im März 1992 Bosnien-Herzegowina für unabhängig erklärte, wurde es von der serbisch dominierten Jugoslawischen Volksarmee angegriffen. Die damals 14jährige Selma Hajdarevic musste mit ihrer Familie fliehen als die bosnische Stadt Bijeljina Ziel einer der ersten „ethnischen Säuberungen“ wurde. Selma nahm ihren Hausschlüssel mit nach Österreich.

Ein Schlüssel - Symbol für´s Erwachsen werden und Erinnerung an die alte Heimat
Ein Schlüssel - Symbol für´s Erwachsen werden und Erinnerung an die alte Heimat

Er war für sie als Teenager damals ein Symbol ihrer Selbständigkeit gewesen, nach der Flucht ist er nun eine Erinnerung an das zurückgelassene Elternhaus.

Nur das Wichtigste (Puppe von Zuzana Brejcha, 1950er Jahre)

Im August 1968 marschierten Truppen des Warschauer Pakts in die Tschechoslowakei ein, um den „Prager Frühling“ gewaltsam niederzuschlagen. Ich habe von damals noch die Stimme meiner Großmutter im Ohr, die mich in die Wohnung rief: „Kumm sofort eina. Die Russen kommen.“ Obwohl mir dies als 9jährige nicht viel sagte, merkte ich an ihrer Kompromisslosigkeit und der Angst in der Stimme, dass irgendetwas nicht stimmte. Auch wir saßen dann bang vor dem Radio und verfolgten die Meldungen. Für die Tschechen war es allerdings noch viel schlimmer: Auch die Wohnung der damals 15jährigen Zuzana Brejcha geriet unter Beschuss, ein Projektil blieb in ihrem Bett stecken.

Gefährlich - aber die Puppe musste mit
Gefährlich - aber die Puppe musste mit

Die Familie entschloss sich zur Flucht nach Österreich. Um keine Aufmerksamkeit zu erregen, durfte jedes Familienmitglied nur eine Tasche mitnehmen. In der Nacht vor der Flucht füllte Zuzana ihre Tasche heimlich mit Dingen, die ihr wichtig waren, wie die Puppe ihrer Kindheit.

Es sind hier nur drei Geschichten der insgesamt 25 Objekten erzählt. Jede ist anders, doch jede macht klar, dass jeder der flüchtet viel Unbill und Risiko auf sich nimmt, große Gefahren auf sich nimmt, ja sogar sein Leben aufs Spiel setzt. Geht in die Ausstellung, schaut euch die Objekte und Geschichten an und urteilt selbst, ob man diese „Reisen“ auf sich nimmt – nur um eine „Hängematte in unserem Sozialsystem“ zu bekommen….

Das Museum Niederösterreich ist Dienstag bis Freitag von 9:00 bis 17:00 Uhr geöffnet, Samstag, Sonntag und Feiertag von 9:00 bis 18:00 Uhr. Montag (außer an Feiertagen) ist geschlossen.


Auf der Flucht - 25 Objekte erzählen
bis 2.2.2025
Haus der Geschichte im Museum Niederösterreich
3100 St. Pölten
Kulturbezirk 5
+43 2742 90 80 90
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https://www.museumnoe.at

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