Letztes Wochenende habe ich die Niederösterreichische Landesausstellung besucht. Und ich möchte gleich zu Beginn dem Ausstellungsteam gratulieren, vor allem den Kulturvermittlern…
Letzten Sonntag haben wir uns nach Pöggstall aufgemacht, es interessierte mich, wie man ein - für mich - sehr sperrig klingendes Thema in einer Ausstellung umsetzen kann.
Schon beim Durchfahren durch Pöggstall (ich hatte wieder mal den ersten Parkplatzhinweis ignoriert, was man nicht tun sollte) fällt einem sofort das große, wunderschöne Rondell auf.
Die Ausstellungsstätte kann man damit eigentlich nicht verfehlen. In diesem Rondell, das dem eigentlichen Schloss vorgelagert ist, befindet sich im Ersten Stock die Ausstellung über das Schloss und ihre Besitzer, die man auch unbedingt mitnehmen sollte. Doch davon später.
Im Erdgeschoss befindet sich ein Restaurant, das wir für einen Stopp nach der Ausstellung durchaus empfehlen können. Freundliche Bedienung, unsere Suppen (wir wollten nur eine Kleinigkeit) und Kaffee und Punschkrapferl waren sehr in Ordnung.
Es gibt verschiedene Speisen, auch mit lokaler Prägung, Kleinigkeiten wie Toast, verschiedene Torten (Achtung: stehen nicht in der Speisekarte – sind aber in der Vitrine zu begutachten). Und es tut gut, sich nach dem Besuch der Ausstellung noch ein wenig auszurasten, bevor es wieder nach Hause geht.
Das Schloss
Dann (nach dem Lösen der Eintrittskarte) tritt man in den wunderschönen Innenhof.
Es lohnt sich hier mal kurz stehen zu bleiben und die Architektur zu betrachten.
Shop
Hier ist auch ein Shop mit Waldviertler Spezialitäten (Mohn vom Mohndorf Amschlag, Tees und Gewürze von Sonnentor, Schnäpse, Waldviertler Whisky und einiges mehr). Warnung: wenn man hineingeht, kommt man mit etwas Gekauften wieder heraus …
Die Ausstellung
Die Ausstellung ist in 5 Kapitel gegliedert:
• Gleiches Recht für alle
• Vergelten oder Versöhnen?
• Am Unrecht teilhaben
• Wider die Würde des Menschen
• Wir haben Recht!
Vorab müsst ihr entscheiden, ob ihr viel Lesen oder Anhören möchtet, und ohne Führung durch die Ausstellung geht oder ob ihr Euch lieber einer Führung anschließt.
Wir sind ohne Führung durch die Ausstellung gegangen. Ich habe das meistens lieber, weil ich
a) nie zu der Zeit eintreffe, wenn eine Führung gerade startet und
b) ich mir das, was mich interessiert auch gerne einmal länger anschaue oder mich damit ausführlicher beschäftige und anderes wieder einfach schneller „konsumiere".
Wenn ihr auch diesen Weg wählt, sollte euch klar sein, dass ihr dann eben viel Lesen oder den Audiostationen lauschen müsst, die bei den wichtigsten Ausstellungsstücken angebracht sind. Hier folgt nur ein kurzer Überblick über die einzelnen "Kapitel", damit ihr wißt, was Euch bei den einzlenen Themenkreisen erwartet.
Gleiches Recht für alle
Der erste Bereich geht auf die historische Entwicklung der Rechtsordnung und Justizeinrichtung ein. So sind gleich im ersten Raum die maßgebenden Strafbücher des 19. Jahrhunderts ausgestellt, die teils bis in die zweite Hälfte des 20. Jahrhunderts und darüber hinaus Gültigkeit haben.
Am Ende des ersten Raums wurde mit einer Installation auch versucht, den Unterschied zwischen einst und heute quantitativ darzustellen: so findet sich in einer Vitrine das Allgemeine Bürgerliche Gesetzbuch für die gesamten Deutschen Erbländer der Oesterreichischen Monarchie aus dem Jahre 1811 und am Ende der gotischen Halle (in der die Ausstellung beginnt) ein riesiger Bücherstapel, der für all die Gesetze und Verordnungen steht, die heute unser Leben bestimmen.
Der nächste Raum widmet sich dann der Gerichtsbarkeit und stellt die unterschiedlichen Formen der Rechtsprechung in der Vergangenheit und der Gegenwart gegenüber.
Auf einer Wand laufen Videos von bekannten Filmen und Serien, die sich mit Gerichtsverfahren oder der Gerichtsbarkeit beschäftigen: vom Urteil vom Nürnberg über den Zerbrochenen Krug bis zur Zeugin der Anklage bis zu Julia – eine ungewöhnliche Frau mit Christiane Hörbiger.
Vergelten oder versöhnen?
Der nächste Bereich widmet sich dem Thema Strafe und deren unterschiedlichsten Formen und spannt den weiten Bogen von der Bestrafung am Pranger bis zu heutigen Formen der Diversion und Mediation.
Hier kann man nicht nur die unterschiedlichen „Schandmasken" sehen, sondern auch den Galgen des Wiener Landesgerichtes.
Wurde man früher für seinen liederlichen Lebenswandel, der bereits bei Zank im eigenen Haus (für Frauen) beginnen und am Pranger mit Schimpf und Schande enden konnte, so sind es heute oft die sogenannten sozialen Medien, die ebenso Schimpf und Schande – heute eben Shitstorm genannt – über die „Missetäter" bringen können.
Heute wie damals kommt es allerdings vor, dass Anschwärzen oder Fake News genügen, um eine „Bestrafung" durch die Öffentlichkeit auszulösen und nicht durch Gerichte…
Die Ausstellung zeigt auch, welche „Taten" früher bestrafungswürdig und welche Strafen gesellschaftlich akzeptiert waren.
Habt ihr gewusst, dass die „Gsunde Watschen" bis in die 1970er als Erziehungsmittel anerkannt war? Bis 1986 konnte sie in der Schule eingesetzt werden und erst 2011 wurde das Recht auf gewaltfreie Erziehung in die Verfassung in Österreich geschrieben. Dennoch finden 4 von 10 Österreichern, dass die Gesunde Watschen oder ein Klaps auf den Po noch keinem Kind geschadet haben….
Am Unrecht teilhaben
Hier steht das Unrecht im Nationalsozialismus im Mittelpunkt, auch der gesellschaftliche Blickwinkel wird hinterfragt und ob die vielzitierten Aussagen, dass man nichts wusste oder nichts dagegen machen konnte, so auch nicht für alle Menschen stimmen können. Anhand eines Beispiels wird aufgezeigt, dass es auch in dieser Zeit Möglichkeiten der Entscheidung für oder dagegen gab.
Im ersten Raum werden einzelne Ereignisse aufgezählt, die schließlich zur Übernahme der Macht durch die Nationalsozialisten führten und es wirklich bedrückend zu sehen, dass viele Probleme und Vorzeichen von heute mit dem damaligen Ereignissen sehr übereinstimmen.
Wider die Würde des Menschen
Dieser Abschnitt beschäftigt sich mit der historischen Entwicklung der Folter.
Von den Folterinstrumenten des Mittelalters über die hochpeinliche Befragung in der Zeit Maria Theresias bis zur Gegenwart wird Folter als Teil des Untersuchungsverfahrens angewandt, das der Wahrheitsfindung dienen soll, auch wenn bis heute 155 Länder die UN-Konvention gegen Folter unterschrieben haben. Da bekommt man nicht nur wegen der ausgestellten historischen Folterinstrumente das Grausen.
Außerdem wird der deutsche Fall einer Kindesentführung vorgestellt und damit die Frage aufgeworfen, ob man foltern darf, um das Leben des Kindes zu retten…
Wir haben Recht!
Der letzte Teil der Ausstellung beschäftigt sich mit der Geschichte der Menschen- und Grundrechte, die mit der Entstehung der modernen Verfassungsstaaten im ausgehenden 18. Jahrhundert eng verbunden sind.
Wobei nicht nur die Errungenschaften aufgezeigt werden, sondern auch die gegenwärtigen Verletzungen der Grundcharta. Vielleicht auch eine gute Gelegenheit sich einmal mit der Charta der Grundrechte der Europäischen Union zu beschäftigen.
Führungen
Um 10:30, 14:30 und 16:00 Uhr findet täglich ein geführter Rundgang durch die Ausstellung statt. Bei Bedarf wahrscheinlich auch öfter. Wir wurden an einem Sonntag während unseres Rundganges von drei geführten Gruppen überholt.
Hier möchte ich auch den Vermittlern meine ganz besondere Achtung und Bewunderung aussprechen. Sie bemühen sich wirklich eine Diskussion mit ihrer Gruppe über die verschiedenen Aspekte und Ansichten zu Recht, Gerechtigkeit, Rechtsprechung herzustellen und eben nicht nur geschichtliche Daten zu vermitteln.
Wie schwierig das sein kann, haben wir bei unseren Besuch erlebt. Auch welch kruse Vergleiche und Verharmlosungen noch immer in Bezug auf den Nationalsozialismus geäußert werden und wie einfach Menschenrechte mit einem einfachen „Bei uns is des net so" und „oba alle brauch man net do …" abgestritten werden. Auch Forderungen keine politische Aussagen, sondern nur historische Fakten zu präsentieren, wurde an die Vermittler lautstark herangetragen...
Dennoch bleiben die Damen und Herren immer ruhig und freundlich und versuchen aufklärend auf die Besucher einzuwirken. Ich kann mir gut vorstellen, dass das nicht immer leicht ist. Schließlich wär ich dann ganz froh, dass ich kein Führungsteilnehmer war und mich als Außenstehende zurückgehalten habe. Denn manche Diskussion wäre dann keine besonders schöne geworden ….
Daher nochmal: Kompliment an alle, die hier im Vermittlungsbereich tätig sind.
Das Rondell
Im ersten Stock des ebenfalls neu renovierten Rondells ist die Sonderausstellung „Schloss Pöggstall – zwischen Region und Kaiserhof" untergebracht, die sich der Geschichte des Schlosses und seiner Besitzer widmet.
Besonders stechen hier die Rogersdorfer hervor, die über eine lange Zeit hier herrschten und die Künstler von Weltrang nach Pöggstall brachten. Auch zu Albrecht Dürer hatten sie persönlichen Kontakt, wie aus einem Briefwechsel hervorgeht.
Er soll auch für die Brüder Wilhelm und Wolfgang von Rogendorf während eines Abendessens in Antwerpen das Wappen der Familie als Holzschnitt geschaffen haben.
In der Ausstellung sind nun erstmals nach 500 Jahren viele Kunstobjekte vereint, die bis dato in unterschiedlichen Museen weltweit verstreut waren. Darunter ist auch ein Porträt des Georg von Rogendorf, eine Leihgabe der Eremitage Sankt Petersburg zu sehen und der kostspielige Kostümharnisch von Wilhelm von Rogendorf aus 1523, der sich sonst in der Hofjagd- und Rüstkammer des Kunsthistorischen Museums befindet.
Ausflugstipps
Eine Broschüre, die ihr hier downloaden könnt, gibt auch noch weitere Tipps für Ausflüge in der Umgebung der Niederösterreichischen Landesausstellung, wie z.B. Schloss Artstetten, Maria Taferl, die Ysperklamm oder – vor allem zur Mohnblüte wunderschön – das Mohndorf Armschlag.
1.4.-12.11.2017 Alles was Recht ist! – Niederösterreichische Landesausstellung 2017
Schloss Pöggstall
3650 Pöggstall, Hauptplatz 1
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