Thomas Schrems: Tod einer Randnotiz
Pfff. 935 Seiten über Boulevard Journalismus, Liebe oder nicht, Morde, Madame Tussaud, den Wiener Prater und die Verstrickungen der Politik.
Manchmal muss man leider sagen: Weniger wäre mehr gewesen. Der sogenannte Boulevard-Roman von Thomas Schrems braucht einige Zeit (ich schätze so 300-400 Seiten) bis die Geschichte so richtig in Schwung kommt. Ich kann zwar verstehen, dass man es als Autor genießt, endlich so richtig aus dem Vollen schöpfen zu können und nicht mehr auf ein bestimmtes Maß an Zeichen und Zeilen anschreiben zu müssen, aber einige der 935 Seiten sind doch etwas ausführlich geworden und es gibt auch einige Wiederholungen. Die man aber vielleicht sogar braucht, denn wer kann diese Fülle (klein bedruckt) in einem Rutsch durchlesen.
Wer sich mit meinen Schachtelsätzen schon schwer tut, der sollte die Finger von diesem Werk lassen. Schrems schafft es, diese noch länger auszuführen.
Wer allerdings mehr über den Boulevard-Journalismus, das Verhältnis der Journalisten und der Politik und sonstigen „Gebräuchen“ in Österreich erfahren möchte, der kann sich mit viel Interesse auf dieses Buch stürzen. Auch wenn die Krone hier „die Gute“ heißt und natürlich keine Namen vorkommen – mit ein bisschen Wissen und Nachdenken wird man herausbekommen, wer der Alte (Herausgeber), wer der Chefredakteur und wer der Politiker sein könnte, der den Alte Onkel nannte.
Ein bisschen scheint es, dass Herr Schrems nach dem Verlassen der Krone doch noch eine kleine Rechnung mit der Zeitung offen hatte. Wobei natürlich zufällige Übereinstimmungen mit lebenden oder toten Personen rein zufällig sind und nicht beabsichtigt. Schließlich ist die Handlung ja ganz frei erfunden.
Dabei geht es um den Chefreporter der Chronik in der Zeitung „Die Gute“ Vinzenz Kluger, der einem mysteriösen Vorgang bei Madame Tussaud auf der Spur ist. Dementis erfolgen, doch die Lage spitzt sich immer weiter zu, weitere Personen sind abgängig, und als dann noch bei der Neuvorstellung einer Wachsfigur bei Madame Tussaud festgestellt wird, dass die Knochen einer der abgängigen Person in dieser Figur stecken, wird es kriminalistisch.
Dazwischen wechseln sich Beschreibungen des eher unschönen Alltags eines Chronikreporters mit den Intrigen in der Branche, dem Konkurrenzkampf der einzelnen Blätter und poesievollen Landschaftsbeschreibungen ab. Dazwischen gibt es noch eine Hopp-On/Hopp-Off-Beziehung des Reporters mit einer Angestellten bei Madame Tussaud, eine Lady die ihre Hackerkenntnisse sowohl für die Polizei wie auch privat nutzt (ihr werdet ab da alle Kameras auf euren PCs überkleben) und so einiges mehr.
Wer schon immer ins Innerste des Boulevard-Journalismus blicken wollte und seine ganzen Vorurteile über Korruption und die Lügenpresse bestätigt finden will, hat mit diesem Buch wahrscheinlich seine Bibel gefunden und die Bestätigung es schon immer gewusst zu haben.
Allen anderen wünsche ich viel Ausdauer – und gebt die Hoffnung auf die 4.Säule der Demokratie trotzdem nicht auf!