Péter Esterházy: Harmonia Caelestis
Die Familie Esterházy beeinflusste viele Jahre das kulturelle und politische Leben in der Donaumonarchie und in Mitteleuropa.
Péter Esterházy gibt mit seinem Roman „Harmonia Cælestis“ Einblick in die Geschichte einer Dynastie mit ihren Höhen und Tiefen und porträtiert wie nebenbei die politische und geschichtliche Entwicklung. Wer eine ungewöhnliche Geschichte einer ungewöhnlichen Familie lesen will, sollte sich dieses Werk nicht entgehen lassen.
Die Esterházys waren nicht nur in vielen politischen Ämtern tätig, förderten Kunst und Kultur, sondern betätigten sich auch selbst als Künstler. So komponierte Fürst Paul I. im Jahre 1711 „Harmonia Cælestis“. Péter Esterházy übernahm den Titel für sein Buch, das 2004 mit dem Friedenspreis des deutschen Buchhandels ausgezeichnet wurde.
Wer eine durchgehende, geschichtliche Erzählung erwartet, wird enttäuscht. Dennoch schafft es der Schriftsteller die Geschichte, das Leben, die Freude und die Ängste seiner Familie, aber auch der sie umgebenden Menschen darzustellen und vermittelt so ein „Bilderbuch“ der unterschiedlichen Zeitepochen mit ihren wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen und Verwirrungen.
Das Werk gliedert sich in zwei Teile:
Im ersten Teil „Numerierte Sätze aus dem Leben der Familie Esterhazy“ erzählt Peter Esterházy Einzelgeschichten, Mythen und Legenden seiner Familie. Zeitweise springt er zwischen den Jahrhunderten hin und her – die „Sätze“ sind nicht chronologisch aneinander gereiht. Doch gerade das macht das Spannende an diesem Teil aus.
Geschichtlich Interessierte werden sich sehr schnell in einem Puzzle wieder finden, das es gilt zusammen zu setzen. Wie bei einem Krimi beginnt man mitzuraten: Welcher Fürst, welche Zeit könnte gemeint sein, wie kann die Erzählung zeitlich eingeordnet werden. Mit seinem grandiosen Erzählstil bewirkt Esterházy eine weitaus größere Auseinandersetzung mit seinen Geschichten als dies normalerweise der Fall ist.
Der zweite Teil „Bekenntnisse einer Familie Esterházy“ schließt zeitlich an den ersten Band und erzählt die Geschichte der Aristokratenfamilie im 19. und 20. Jahrhundert. Auch hier wird nicht nur der geschichtliche Part der Familie vermittelt, sondern diese mit all ihrem Denken, Fühlen und Einstellungen in den gesellschaftlichen Kontext gestellt. Schließlich hatte vor allem das 20. Jahrhundert großen Einfluss auf das Schicksal der Esterházys – und hier erzählt der Autor, wie sie sich diesen Entwicklungen gestellt und diese verarbeitet haben.
Wer sich also mit der Geschichte der Donaumonarchie - wobei die Einblicke, die das Buch gewährt über diese hinausgehen – und den gesellschaftlichen Bedingungen und Entwicklungen bis in die heutigen Tage interessiert, wird von den 900 Seiten sicher angetan sein. Ebenso all jene, die das Leben einer der bedeutendsten Adelsfamilie Mitteleuropas kennen lernen möchten.
Hinweis:
Péter Esterházy musste nach dem Erscheinen des Werkes feststellen, dass sein Vater mit dem kommunistischen Geheimdienst zusammengearbeitet hatte. Da er diese Informationen nicht mehr in das Buch mit einbringen konnte, erschien später das Nachfolgewerk „Verbesserte Ausgabe“.
Kurz einige Informationen zum Autor:
Péter Esterházy de Galántha wurde am 14. April 1950 in Budapest geboren. Péter stammt aus dem gräflichen Zweig der Familie Esterházy. Dieser Zweig der Familie wurde unter dem kommunistischen Regime enteignet und unterdrückt. Esterházy studierte zuerst Mathematik, arbeitete anschließend als EDV-Spezialist und begann dann seine schriftstellerische Karriere. Esterházys Bücher wurden mit vielen Preisen ausgezeichnet und in mehr als 15 Sprachen übersetzt. Er ist Mitglied der Deutschen Akademie für Sprache und Dichtung, sowie seit 1998 der Akademie der Künste (Berlin), Sektion Literatur.
Esterházy lebt in Budapest, ist verheiratet und hat zwei Söhne und zwei Töchter.
AutorIn des Artikels: