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Paul Lendvai: Orbáns Ungarn

Nicht immer stimmte ich in der Vergangenheit mit Paul Lendvais Einschätzungen überein.

Paul Lendvai: Orbáns Ungarn
Paul Lendvai
Orbáns Ungarn
978-3-218-01261-4
Kremayr & Scheriau
https://www.kremayr-scheriau.at

Zu sehr stand meiner Meinung nach auch in seiner Denkweise die „Wehleidigkeit“ über den Vertrag von Trianon im Mittelpunkt. Seine präzise Aufarbeitung des Aufstiegs von Viktor Orbán ist auf jeden Fall aber bemerkenswert...

Orbáns Ungarn sollte ein Standardwerk für österreichische Wähler werden. Doch ich fürchte, dass es bis dato eher unser politische Elite gelesen hat und es als Vorbild nimmt. Noch sind wir hier in Österreich nicht so weit, aber der Weg scheint einigermaßen von Orbán vorgezeichnet. Und dieser Weg erschreckt mich einigermaßen…

Unter anderem zitiert Lendvai die weltberühmte Philosophin Ágnes Heller die Lage nach dem dritten Wahlsieg von Orbán so charakterisierte:

    „Der „Orbánismus“ ist ein extremer Typ der verschiedenen politischen Gebilde, die die moderne Massengesellschaft erzeugt. Eine Tyrannei, die alle vier Jahre in Wahlen abgesegnet wird. Sie stützt sich auf eine reich gewordene Klientel, deren Loyalität erkauft ist. Ihre Massenwirkung entfaltet sie durch ihre extremistische Ideologie. Deren Elemente sind ein rassistischer Nationalismus, Feindbildproduktion, die Erzeugung eines Bedrohungsgefühls, der permanente Kampf gegen etwas oder jemanden, der Ungarn vernichten will, wobei Orbán der Beschützer und Retter ist. Die Seele des Volkes wird mit Hass und Furcht vergiftet.“

Der Griff nach den Medien, gesteuert mit Werbeinseraten der Regierung und mit dem Geld „befreundeter“ Unternehmen, die wiederum an Aufträgen durch die Regierung verdienen, die Besetzungen von Schlüsselpositionen in Justiz, Unternehmen, Politik, etc. mit Vertrauensleuten, deren hauptsächlicher Befähigungsnachweis es ist zur „Familie“ zu gehören, all das kommt mir irgendwo bekannt vor. Es sind hier nur einige Beispiele angeführt, die den Weg zur Macht und vor allem das Behalten selbiger möglich machten und machten.

Kommt euch einiges bekannt vor? Sind wir in Österreich vielleicht gar auch gerade dabei, diesen Weg zu gehen? Vielleicht nur mehr eine Justiz- und Wahlrechtsreform entfernt? Noch unterscheiden wir uns deutlich, aber wie heißt es so schön: Wehren wir den Anfängen…

Interessant war es auch, mehr über den Lebensweg von Viktor Orbán zu lesen und eines muss man ihm, neben seinem politischen Talent, auch lassen: er verstand es, sich durch zu beißen. Auch nach Niederlagen immer wieder aufzustehen, seine Krone zu richten und unbeirrt seinen Weg weiter zu gehen. Um seinem Ziel der Machtergreifung näher zu kommen und das Erreichte dann nicht mehr abzugeben.

Ein lesenswertes Buch, das sich alle österreichischen Wähler und vielleicht auch einige Medienleute zu Gemüte führen sollten. Denn eines sollte für uns alle doch feststehen: Diesen Weg wollen wir nicht einschlagen – so faszinierend kann die Person, der wir als Fan oder als Wähler folgen gar nicht sein.

Distanz zur Politik ist angesagt: Für Wähler und Journalisten. Daher sei es auch in diesem Zusammenhang gesagt: Hugo Portisch und Robert Hochner – ihr fehlt!


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