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Gerhard Loibelsberger: Zerrüttung

Ich habe die historischen Krimis rund um den Oberinspektor des k.k. Polizeiagenteninstituts, Joseph Maria Nechyba immer sehr gerne gelesen. …

Ein Roman aus Wien im Jahr 1933
Gerhard Loibelsberger
Zerrüttung
978-3-8392-0521-1
Gmeiner Verlag
https://www.gmeiner-verlag.de

Doch nun ist der Herr Oberinspektor in Pension und genießt seinen wohlverdienten Ruhestand. Das hält Gerhard Loibelsberger aber nicht ab, uns in seine Zeit zu entführen. Geschichte, die wir alle kennen sollten, wird plötzlich sehr lebendig und nachvollziehbar.

Geschickt verquickt er die politische Entwicklung mit dem Schicksal Nechybas und seiner Freunde und Bekannten und gibt so dem Leser einen Einblick in die damalige Zeit, in der Kanzler Dollfuß aufgrund des kriegswirtschaftlichen Ermächtigungsgesetzes aus dem Jahr 1917 autoritär regiert. 

Nechyba besucht (fast) täglich sein geliebtes Kaffeehaus, in dem ein typischer Wiener Oberkellner mit einer Jüdin verheiratet ist. Er erfährt von den Querelen im Nachbarhaus, in dem der Hausbesorger ständig Zoff mit seiner Frau hat und damit auch seinen Sohn total verschreckt.

Und er diskutiert nicht nur mit dem Ober im Kaffeehaus über Politik – obwohl man nicht politisieren soll – sondern auch mit seiner Ehefrau über die politischen Entwicklungen, wobei seine Einschätzung von jenen seiner, streng katholischen, Frau doch ziemlich abweichen.

Man kann das Buch fast als leicht lesbares Geschichtsbuch sehen, das deutlich macht, welche Strömungen damals für die geschichtliche Entwicklung verantwortlich waren und das auch mit der „Ausrede“ aufräumt, man hätte diese Entwicklung nicht kommen gesehen. Gut strukturiert wird aus den verschiedenen Lebenssituationen der handelnden Personen geschildert, wie sich die Lage zuspitzte und wie Hass, Intoleranz, Verleumdung und Unversöhnlichkeit immer stärker das Land beherrschten.

Ein Buch, das man wie einen Krimi lesen kann, das aber viel mehr kann: es lehrt uns unsere Geschichte wahr zu nehmen. Morde spielen auch hier eine Rolle, doch es wird nicht ermittelt …

Wobei: ein wenig werden mir die Ermittlungen des Oberinspektors Nechyba schon fehlen …


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