Baier, Demmerle: Otto Habsburg 1912 - 2011
Die autorisierte Biografie von Otto von Habsburg erschien bereits 2002 im Amalthea Verlag. Anlässlich des ersten Todestages und 100.Geburtstag wurde sie nun neu von Stephan Baier und Eva Demmerle überarbeitet und erweitert.
Die Biographie erlebte seit 2002 bereits fünf Auflagen und erschien außer in Deutsch auch in französischer, ungarischer, kroatischer und italienischer Sprache.
Otto von Habsburg, der Sohn des letzten Kaisers von Österreich, Karl, wurde in Europa und der Welt mehr gewürdigt als in Österreich. Wenig erfuhr man hier von dem Habsburger, der – geboren als Erzherzog von Österreich-Ungarn und erzogen als Thronfolger – dieses Amt nie ausüben durfte, viele Höhen und Tiefen in seinem langem Leben erlebte und sich als einer der Ersten für ein geeintes Europa einsetzte. Kaum jemand weiß in Österreich von seinen Aktivitäten gegen Hitler, von seinem Einsatz in den Vereinigten Staaten von Amerika für Österreich und seinen Hilfestellungen für viele Menschen, die vor den Nationalsozialisten fliehen mussten. Kaum einer kann sagen, an welchen Fäden der Kaisersohn zu dieser Zeit zog, um von „seinem“ Österreich Unbill ab und die Nazis fernzuhalten. Obwohl von vielen Gemeinden zum Ehrenbürger ernannt, verweigerte das offizielle Österreich ihm lange Jahre Staatsbürgerschaft und Einreise, "kämpfte" mit ihm um den offiziellen Thronverzicht.
Otto von Habsburg war bei den Ersten, die für die Einigung Europas kämpften und später mit dem Paneuropäischen Frühstück in Ungarn den Fall des Eisernen Vorhanges einleitete. Vielen Österreichern wird daher das Foto von Alois Mock beim Durchschneiden des Stacheldrahtzauns bekannter sein als die Aktivitäten des Habsburgers. Wer kennt schon die Geschichte mit dem leeren Stuhl im Europaparlament, den Otto von Habsburg aufstellen ließ, um an die Länder hinter dem Eisernen Vorhang zu erinnern.
Manche seiner Einstellungen scheint von den Autoren, die beide langjährige Mitarbeiter von Otto von Habsburg waren, zu positiv geschildert. Auch die Zeit der Habsburger Monarchie – von anderen Quellen und Zeitzeugen oft als Kakanien und Völkerkerker bezeichnet – wird in meinen Augen sehr beschönigt für alle Länder geschildert. Hier fehlt mir ein wenig die Einsicht der Fehler, die den Monarchen und damaligen Verantwortlichen passiert sind. Wenn es auch die Gnade der Spätgeborenen ist, diese später leicht zu erkennen, hätte ich mir hier auch ein wenig kritische Selbstbetrachtung zur eigenen Familie gewünscht. Anerkennenswert jedoch, wenn Otto von Habsburg später für das demokratische Selbstbestimmungsrecht der Länder eintritt und für deren Platz in der Europäischen Union kämpft. Richtungsweisend wohl auch sein Ansatz für Österreich hier eine Vorreiterrolle zu übernehmen, die von den unseren Politikern aber wenig wahrgenommen wird.
Ein Buch jedenfalls, das man als Österreicher lesen sollte. Um die Geschichte auch aus anderen Blickwinkeln zu sehen. Um Hintergründe zu erfahren. Um zu lernen, dass es möglich ist, einen anderen Weg als den Vorherbestimmten zu beschreiten. Um wieder auf die österreichische Vergangenheit ein bisschen stolz sein zu können. Um unsere Nachbarn ein bisschen mehr zu verstehen und was es heißt, nicht in Landesgrenzen, sondern in Regionen zu denken. Und um das Gefühl für Europa wieder zu bekommen und die Wichtigkeit von Europa zu begreifen.
Allerdings lautet meine Empfehlung zur Einschätzung der Geschichte auch noch andere Quellen heranzuziehen – zu positiv werden einige politische Persönlichkeiten gezeichnet, zu sehr fallen negative Seiten und Handlungen einiger unter den Tisch. Trotzdem: Lesenswert!
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