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Das Kunstforum Wien verabschiedet sich von der Freyung mit einer außergewöhnlichen Ausstellung, die dem Multimediakünstler und Popfotografen Anton Corbijn gewidmet ist. Fotos © Anton Korbijn/Kunstforum

Lange Schlangen an der Garderobe zur Eröffnung der Ausstellung „Anton Corbijn – Favourite Darkness“ im prächtigen Rahmen des Palais Ferstel. Ingried Brugger, die Direktorin des Bank Austria Kunstforum Wien, wusste sich bei ihren Begrüßungsworten getragen von so vielen Menschen, die ihre künstlerische Arbeit über die Jahre zu schätzen gelernt haben – und die jetzt gemeinsam auch mit zahlreich erschienenen Celebrities – darunter Altbundespräsident Heinz Fischer und seine Frau Margit –  Flagge zeigen wollten angesichts der  bevorstehenden Schließung der renommierten Kunststätte auf der Wiener Freyung. Dies als unmittelbare Folge des Rückzugs der Bank Austria, die nicht länger als Hauptsponsor und somit maßgeblicher Financier fungieren möchte. Letztlich konnte man noch, so Ingried Brugger bei der Ausstellungseröffnung, einen längeren Übergangszeitraum ausverhandeln zumal es nicht so einfach sein dürfte, eine neue Location für das Kunstforum Wien zu finden. 

Ingried Brugger und Heinz Fischer
Direktorin Ingried Brugger mit Altbundespräsident Heinz Fischer bei der Ausstellungseröffnung (c) Leisure Communications

Chronist und Zeuge der Popkultur

Umso bemerkenswerter ist das  „Abschiedsgeschenk“, das dem vielseitigen Künstler Anton Corbijn gewidmet ist. Liebevoll und kenntnisreich  kuratiert von Lisa Ortner-Kreil. Stets auch folgend den bevorzugten dünkleren Schattierungen und melancholischen Stimmungsbildern des Künstlers.

Miles Davis
Miles Davis Montreal 1985 (c) Anton Corbijn

Anton Corbijn, geboren 1955 in Strijen in den Niederlanden, lebt in Amsterdam und hat als Fotograf, Regisseur und  Designer im Laufe der Jahrzehnte seine unverkennbaren Spuren hinterlassen. Zum einen als stilprägender Chronist und Zeuge der seit den 1970er Jahren herrschenden Popkultur, der die Art und Weise, wie wir heute Popkultur wahrnehmen, maßgeblich geprägt hat.

Christliche Ikonografie
Aus der Serie Cemeteries: Anleihen in der christliche Ikonografie (c) Anton Corbijn

Und zum anderen nimmt er für seine Werke  als  Sohn eines evangelischen Pastors   Anleihen in der christlichen Ikonografie. Darunter David Bowie als Jesus im Lendenschurz oder U2 in der Wüste mit der Stachelpflanze für das „Joshua Tree“-Album. 
Zu seinen Impressionen der Popkultur zählen auch Miles Davis`Hände vor seinem bildfüllenden Gesicht oder eine Marianne Faithfull, die nach eine langen Nacht in Satinbademantel und Spitzen-BH in der Küchentüre lehnt. Eine Zigarette im Mund.

Willie Nelson
Willie Nelson Atlantic City 1998 (c) Anton Corbijn

Stars mit verschleierter Erkennbarkeit

Zu den Grundzügen seiner Bildsprache zählt eine grobe Körnigkeit, irgendwie passend zu einem No-Future-Lebensgefühl der Pop- und Rockstars in den 80er und 90er Jahren. Seinen Fotografien wohnt immer wieder auch eine spontane und intuitive Geste inne, die  gegen die Erkennbarkeit prominenter Konterfeis arbeitet: So schlägt Miles Davis die Hand vor das Gesicht und Coutry-Legende Willie Nelson „versteckt“ sich hinter dem Schatten einer riesigen Hutkrempe. Tom Waits ist mit seiner roten Maske und einem bildfüllenden schwarzen Umhang auf den ersten Blick gar nicht zu erkennen.

Die Frauen und der einsame Wolf

Jodie Foster
Jodie Foster Hollywood 1995 (c) Anton Corbijn

Zuletzt geht es in der Ausstellung auch um Corbijn und die Frauen. Zumal er mit dem Prototyp des „einsamen Wolfs“ vor allem die männliche Popkultur vor die Linse holte. Doch mit einigen sehr stillen und auch intimen Aufnahmen prominenter Frauen, darunter Jodie Foster, Gwyneth Paltrow und Annie Lennox, wird er , so die Kuratorin Ortner-Kreil, vorsorglich dem Macho-Image enthoben. Einfühlung und Nähe zu unnahbaren Prominenten herzustellen gilt grundsätzlich als Corbijns Charakteristikum und augenscheinliche Stärke. Es gibt viele Zwischentöne vor allem bei Schwarz und Weiß. Zu den weiblichen Protagonistinnen, die sich vor der Kamera Corvijn´s einfinden, zählt auch die Aufnahme von Nina Hagen und Ari Up aus dem Jahr 1980. Einer vollständig bekleideten Nina Hagen steht Ari Up, die Sängerin der Punkband The Slits gegenüber: Nackt und mit einem Handtuchturban „bekleidet“. Ein starkes Foto und wie geschaffen als Aufmacher und Werbeträger für die Aussstellung „Anton Corbijn – Favourite Darkness“.

David Bowie
David Bowie Chicago 1980 (c) Anton Corbijn

Bowie und Cobain für die Ewigkeit

Die Schau versammelt an die 200 Arbeiten aus fünf Dekaden, darunter neben den bekanntesten Fotografien auch eine Auswahl seiner Musikvideos und erstmals auch Skizzen seiner Bühnenbilder und Albumcover. Corbijn hat als Artdirector für Depeche Mode Geschichte geschrieben und die visuelle Identität der Band überhaupt erst erschaffen.
Der Kuratorin ist es ganz offensichtlich ein Anliegen, Corbijn nicht  nur als Rockstar- oder Celebritiy-Fotograf aufzufassen, sondern die  ganze Bandbreite seines künstlerischen Schaffens in das Licht der Öffentlichkeit zu rücken. Viele seiner Werke  scheinen die Zeit überhaupt aufzuheben. Seine Bilder von Ian Curtis, Kurt Cobain oder David Bowie sind in gewisser Weise für eine kleine Ewigkeit gemacht – und trotzen dem Bilderstrom, dem wir tagtäglich ausgesetzt sind.

Anton Corbijn – Favourite Darkness:
Das Buch zur Ausstellung. Deutsch und Englisch
ISBN 978 94 6494 162 3
Parallel zur Ausstellung findet im Wiener Gartenbaukino unter dem Titel  „In Control. The films of Anton Corbijn“ eine Retrospektive zu Corbijns filmischem Schaffen statt.

 

 


Anton Corbijn - Favourite Darkness
15. 2. - 29.6. 2025
Bank Austria Kunstforum Wien
1010 Wien, Freyung 8
www.kunstforumwien.at

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